Die
Rezeption von Japan in der westlichen Moderne
Japanische Kultur fand, wie viele andere Kulturen, zunächst
als „exotischer“ Geschmack -Japonismus- Eingang in
die Europäische Kultur. Ausdruck fand dies anfangs in dekorativen
Inneneinrichtungen, Schmuck, und Kleidung. Mit der Zeit wurde
Japan von verschiedenen Künstlern und Architekten ernsthafter
studiert, und der japanische Einfluss führte zu zum Teil
grundlegendem Umdenken in Architektur und Kunst. Vor allem erstreckte
sich dieses Umdenken auf die Wohnhausarchitektur und die Organisation
des Alltagslebens.
Aus diesem Grund – und auch im Hinblick auf das spätere
Entwurfsthema – soll in dieser Arbeit vor allem auf die
Beeinflussung des Wohnhausbaus in der frühen moderne durch
die Japanische Kultur eingegangen werden.
Anhand der Lebenswerke einiger Schlüsselfiguren der (frühen)
Moderne und ihrer Zeitgenossen wird hier dieser Austausch exemplarisch
dargestellt.
Die Darstellung erfolgt in chronologischer Abfolge des Auftretens
der Personen in der Rezeptionsgeschichte Japans. Als Überblick
pber diese Abfolge sind wichtige Wendepunkte der Japan-Rezeption
in den folgenden zwei Zeitstrahlen dargestellt.
die häuser der zukunft werden nicht
aus eisenbeton sein, [...] das haus der zukunft ist aus holz!
wie die kleinen japanischen häuser. es hat verschiebbare
wände! moderne architektur ist: japanische kultur plus europäische
tradition! (Adolph Loos, 1930)
Von starkem Einfluss auf die Architekten war
besonders die Weltausstellung, die seit 1851in regelmäßigen
Abständen in verschiedenen Ländern stattfindet.
Auf den international vertretenden Ausstellungen wurde Japan der
Allgemeinheit vorgestellt. In London 1862 tauchte zum ersten Mal
in größeren Umfang Kunst und Kunstgewerbe aus Japan
auf. Das Publikum war vor allem von den exotisch auftretenden
Samurai angetan. Die Besucher fühlten sich von der „Klarheit
der Aussage, der Ehrlichkeit des Materials und der Kraft des Entwurfes
bei den japanischen Produkten“ sehr angesprochen.
Neben der japanischen Abteilung gab es auch eine solche für
China.
In den folgenden Jahren
entwickelte sich Japan zur Mode in Europa. Japan stellt sich nun
bewusst und in weitem Umfang der Weltöffentlichkeit vor.
In den Japanische Pavillons wurden Naturalien, rein industrielle
Produkte, Maschinen, Geräte und Werkzeuge, neben den hand-
und kunsthandwerklichen Arbeiten ausgestellt.
Während Japan immer europäischer wurde, kannte die Japanbegeisterung
der westlichen Welt keine Grenzen mehr: Kinder spielten mit japanischen
Spielzeug, Damen arrangierten japanische Feste und trugen Kimonos.
Die Weltausstellung von Chicago 1893
Besondere Bedeutung gilt der Weltausstellung
von Chicago 1893.
Für gleich zwei der Wegbereiter der Architektur des 20. Jahrhunderts
war diese Weltausstellung, vor allem die Präsenz Japans,
bedeutend - für Frank Lloyd Wright und Adolf Loos.
In Chicago hatte man sich für die Demonstration der Vergangenheit
entschieden. Das Vorbild für den japanischen Beitrag war
die Phoenix-Halle, Ho-o-do, des Byodo-in in Uji bei Kioto aus
dem 11. Jahrhundert. Wie schon 1876 in Philadelphia hatten die
Japaner nichts dem Zufall überlassen: Sie transportierten
die Teile ihres Ausstellungsgebäudes von Japan nach Chicago
und ließen sie von japanischen Handwerkern unter der Anleitung
des Architekten zusammenbauen.
Die Chicagoer Version der Phoenix Halle wurde von einem Bauwerk
für religiöse Zwecke zu einem für säkulare
oder Wohnnutzung umgewandelt. Dabei wurde die große Halle
in Einzelräume aufgeteilt und die begrenzenden Pavillons
verkleidet. Es handelte sich um eine harmonische Komposition,
die kühnen Dächer mit ihren leicht gebogenen horizontalen
Linien schienen über dem luftigen Skelett zu schweben. Jeder
der drei Pavillons war im Stil einer anderen Periode aus der japanischen
Geschichte gehalten
So waren fast 1000 Jahre japanischer Kultur in ihrer Architektur
präsent:
die Fujiwara - Periode von 980 bis 1185, die Ashikaga - Periode
von 1333 bis 1568 in den beiden Flügeln und in der zentralen
Halle die Tokugawa - Periode von 1615 bis 1867.
So kam es, dass kaum ein größerer Kontrast denkbar
war als der zwischen der ernsthaften und logischen Architektur
Japans und den verlogenen, verputzten und aufgeputzten Holzfassaden
der Amerikaner.
Der Hooden Ausstellungspavillon wurde nach Beendigung der Ausstellung
der Stadt Chicago geschenkt und blieb bis 1946 (durch Feuer zerstört)
und beeinflusste in dieser Zwischenzeit mehrere Generationen amerikanischer
Architekten und Gestaltern. Architekten aus ganz Amerika besichtigten
das Bauwerk.
Es war nicht nur die Architekten, die durch dieses Beispiel traditioneller,
japanischer Architektur beeinflusst wurden. Die Einfachheit, Materialgerechtigkeit
und neuartige Gruppierung von Mustern sowie Motiven wurden zum
moralischen Appell der amerikanischen Frauenzeitschriften.
Clay Lancaster schreibt:- „Die japanische Phoenix-Halle
bewies, dass ein Gebäude unverhüllt und schön sowie
menschlich im Maßstab und ansprechend sein konnte; dass
gute Handwerksarbeit sich vorteilhafter am ausgeführten Bauwerk
als auf dem Zeichenbrett zeigte und dass Architektur - wahre Architektur
- kein Entschuldigung für die Verwendung einfacher, alltäglicher
Materialien zu liefern hatte."
die wichtigsten
Prinzipien der traditionellen japanischen Architektur:
- architektonische und visuelle verbindung von innen- und außenraum,
die raumerfahrung beschränkt sich nicht nur auf
den eigentlichen wohnbereich
- anpassung an die klimatischen bedingungen mit architektonischen
mitteln
- flexibilität, offenheit und vielseitigkeit der innenräume
- differenzierung von tragenden und raum-abschließenden
elementen
- die verwendung der materialien geschieht sachlich und „ehrlich“
- die raumgestaltung ist klar und offen (u.a. durch eingebaute
möbel), mit tokonoma als „focal point“
- die architektursprache ist „grafisch“, von klaren
flächen und linien bestimmt
- die grundrissgestaltung basiert immer auf einem raster, den
maßen der tatami
Christopher Dresser (1834-1904)
Christohper Dresser wurde 1834 in Glasgow geboren.
Nach seiner Ausbildung an der Central School of Design in London
wird er Dozent für „Botanik mit besonderer Rücksicht
auf die Künste“ und macht zahlreiche Veröffentlichungen
zu Botanik und Ornamentik. Studienreisen führen ihn unter
anderem zu den verschiedenen Weltausstellungen. Auf der Weltausstellung
von 1873 in Wien setzt er sich erstmals mit der Kunst bzw. dem
Kunsthandwerk (Ost)Asiens auseinander, insbesondere der Türkei,
China und Japan. Ein Jahr später hält er einen ersten
Vortrag über den Einfluss des Ostens auf europäisches
Design und Kunsthandwerk.
1876 besucht er die Weltausstellung in Philadelphia, wo der Ho-o-den
ein eindrucksvolles Beispiel japanischer Baukunst gibt. Von hier
reist er über San Francisco weiter nach Yokohama.
Er hält sich drei Monate lang in Japan auf, knüpft Kontakte
für englische Industriefirmen und beschäftigt sich mit
Fotografie, Metall- und Lackarbeiten, Textilien und Keramik. Bei
seiner Rückkehr hält er den Vortrag: „The Art
Manufacturers of Japan, from personal observation“, der
1882 in der Veröffentlichung seines Reiseberichts „Japan,
its Architecture, Art and Art Manufactures“ mündet.
Im Folgenden ist Dresser wie schon vorher als Designer für
verschiedene englische Firmen tätig, beschäftigt sich
intensiv mit der Kunst des Ornaments und gründet eine eigene
Firma zum Import Asiatischen Kunstgewerbes.
Christopher Dressers Bedeutung für die Rezeption
Japans ist vor allem darin zu suchen, dass er sowohl in seiner
„vorbereitenden“ systematisch-botanischen Ornamentik
(die in ihrer prinzipiellen Art der Naturbeobachtung und Umsetzung
derer in Kunst etwas vom japanischen Kunstverständnis enthält)
als auch in seinen späteren Veröffentlichungen über
Japan wichtige Impulse für die Auseinandersetzung mit der
Kunst und Kultur Japans gab. Wenngleich sein eigenes Interesse
vor allem den Kunsthandwerklichen Produkten Japans galt, so öffnete
er doch den Weg für ein tieferes Verständnis japanischer
Ästhetik und Lebensweise.
Frank Lloyd Wright (1867-1959)
Bereits früh in seiner Architekturlaufbahn
kam Wright mit Japanische Kunst in Kontakt. Nachdem er in Wisconsin
aufgewachsen war, siedelte er 1887 nach Chicago über, wo
er für J.L. Silsbee arbeitete. Vielleicht inspiriert durch
einen Schwager Silsbees, Ernesto Fenollosa, der selbst lange in
Japan gelebt hatte und regelmäßige Vorträge über
Japanische Kunst am Art Institute in Chicago hielt, begann Wright
bald, sich mit Japanischen Holzschnitten zu beschäftigen
und zu sammeln. Eine seiner ersten Publikationen liefert eine
Analyse der Japanischen Holzschnitte und der ihnen zugrundeliegenden
Ästhetik: der 1912 veröffentlichte Aufsatz „The
Japanese Print. An Interpretation“. Wright macht die von
ihm in den japanischen Holzschnitten gefundene analytische Naturbeobachtung,
die dann wiederum die ästhetische und systematische Grundlage
für die künstlerische Darstellung liefert, zur Maxime
seines eigenen architektonischen Ausdrucks, den er erst innerhalb
des Prairie Style und später in seinem Begriff der Organic
Architecture formuliert.
Auch die Prinzipien der japanischen Architektur selbst dürften
ihm früh geläufig gewesen sein – bereits 1886
publizierte Edward Morse sein umfassende Abhandlung „The
Japanese Houses and Their Surroundings“.
Wrights Verständnis von Architektur (und Natur) entwickelte
er im Büro von Adler+Sullivan weiter, wobei Sullivans systematische
Ornamentik wichtige Inspiration für seine Konzepte von Natur-Geometrie-Kunst
war.
Den Höhepunkt des
Prairie Style markiert das 1907-1909 erbaute Robie House. In ihm
lassen sich grundlegende Prinzipien der japanischen Architektur
wieder erkennen: die Arbeit mit einem Raster, ein offener Grundriss,
eine tokonoma-ähnliche Bedeutung des Kamins, die Verbindung
(und Ineinanderschachtelung) von Innen- und Außenraum, Möbel
als integrale Bestandteile der Architektur (und somit ein freier
Raum), das Arbeiten mit den spezifischen („natürlichen“)
Eigenschaften der verwendeten Materialien sowie die besondere
Bedeutung der örtlichen Klimas, auf das eine architektonische
Antwort gefunden wird (z.B. heiße Sommer und schneereiche
Winter, daher große Dachüberstände). Auch die
Unterscheidung zwischen tragenden und nicht tragenden Elementen
setzt Wright hier schon in Ansätzen um, indem er Fenster
zu Bändern zusammenfasst und die Raumecken in ihrer Massivität
betont.
Die meisten der genannten Prinzipien ziehen sich durch sein gesamtes
weiteres Schaffen, und viele von ihnen fanden durch die Publikation
seines Frühwerkes in „Ausgeführte Bauten und Entwürfe“
von 1911 Eingang in das europäische Architekturgeschehen.
Mies, Gropius und andere bezogen sich später oft auf diese
Veröffentlichung als wichtigen Anstoß in der Entwicklung
der europäischen Moderne.
Wright besaß zeitweise eine der bedeutendsten Sammlungen
japanischer Holzschnitte in Nordamerika, und hat durch den Handel
und die wissenschaftliche/intellektuelle Auseinandersetzung mit
ihnen wichtigen Einfluss auf die Japanrezeption in Amerika und
Europa genommen. Darüber hinaus reiste er 1905 zum ersten
Mal selbst nach Japan, und lebte dort mit längeren Unterbrechungen
für mehrere Jahre ab 1915 zum Bau seines Entwurfs für
das Imperial Hotel in Tokyo.
Er war also fundierter Japankenner und –Interpret und ist
eine der Schlüsselfiguren der Japanrezeption in der frühen
Moderne.
Adolf Loos (1870-1933)
Den Eindruck den Adolf Loos bei der Weltausstellung in Chicago
1893 gewann, ist nirgends aufgeschrieben. Uns ist lediglich bekannt,
dass er ein profaner Japan Kenner war und Bonsais und kleine japanische
Hunde liebte. Bei einer Loos Ausstellung 1930 in Stuttgart hatte
Loos vor einem Photo des Hauses Khuner demonstriert, was moderne
Architektur sei:
„Seht! Das ist moderne Architektur! Die Häuser der
Zukunft werden nicht aus Eisenbeton sein, (...), das Haus der
Zukunft ist aus Holz! Wie die kleinen japanischen Häuser.
Es hat verschiebbare Wände! Moderne Architektur ist: japanische
Kultur plus europäische Tradition!“
Und doch gehörte er nicht zu den Architekten die Wegweisend
für die Japanrezeption waren, da die von ihm entworfenen
Wohnungen mehr ländlich-englisch als luftig -japanisch waren.
Er selbst bereiste nie Japan.
Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969)
Ludwig Mies van der Rohe war nie in Japan, und
dennoch ist sein ganzes Denken und sein ganzes Werk von Japan
durchdrungen.
In Berlin und am Bauhaus Dessau hatte er Kontakt
mit der damaligen westlichen Kunst- und Architekturelite –
dort und später noch in Chicago begegnete er unter anderem
Graf Dürkheim, der ein profunder Japan Kenner war.
Er ließ Mies in den Gesprächen an seiner intensiven
Auseinandersetzung mit fernöstlicher Weisheit teilhaben.
Dabei lernte Mies die Schriften des japanischen Philosophen und
großen Zen Meisters Daisetz Suzuki kennen.1
Er sammelte chinesischer Bücher über
die Schriften von Konfuzius & Laotse und empfing sicherlich
durch diese Schriften Inspiration für seine schöpferischen
Impulse.
Jedoch gibt es aus seinen wenigen theoretischen Schriften keine
Anhaltspunkte für eine direkte Übernahme chinesischer
oder japanischer Anregungen.
Vielmehr basiert der theoretische Hintergrund für die Architekturtheorie
Mies van der Rohes auf dem europäischen Klassizismus mit
Schinkel. Vor allem in den zwanziger Jahren fand dieser Klassizismus
seine Nachfolger und Nachahmer in Peter Behrens und Hendrik von
Berlage( Mies van der Rohe war Mitarbeiter bei Peter Behrens AEG
Büro). Berührungen mit der Kunst des Niederländers
Theo voan Doesburg und den Arbeiten der niederländischen
Gruppe de Stijl sind ebenfalls nicht zu übersehen.
Des Weiteren pflegte Mies van der Rohe freundschaftliche Verhältnisse
zu F.L. Wright, Hugo Häring, die ihm Westen Wegbereiter für
die Kenntnisse fernöstlicher Bauweise waren.
Besonders die Wassmuth Veröffentlichungen 1910 von F. L.
Wright beeinflussten Mies nachhaltig. F. L. Wright hielt 1910
einen Vortrag in Berlin danach veröffentlichte er sein Buch:“Ausgeführte
Bauten und Entwürfe von F. L. Wright“.
Zum Werk Ludwig Mies van der Rohe
Die Bauten Mies van der Rohe markieren einen
langen, nicht immer geradlinigen Weg in der Architektur.
In seinen frühen Schriften 1923/1924 definierte er noch:
Baukunst als “ immer raumgefassten Zeitwillen, und fordert
Sachlichkeit und Zweckmäßigkeit.“
Aber seine Vorstellungen von Ordnung wandelten sich in den folgenden
Jahren.
Die materiellen und funktionellen Tendenzen lehnt er später
ab, ebenso wie ein idealistisches Ordnungsprinzip, das sich formalen
Gesichtspunkten unterordnet.
Er entscheidet sich für eine organische Ordnung und forderte
von seinen Kollegen:
„Wir sollten uns bemühen, Natur Häuser und Menschen
in einer höheren Einheit zusammenzubringen.“
Seine Devise „ Ordnung ist Sinngebung und das hat sie mit
der Baukunst gemein.“
Im japanischen Wohnbau des 15-18 Jahrhunderts
lassen sich die Grundprinzipien des Bauens Mies van der Rohes
klar erkennen, die in den folgenden Arbeiten angewendet wurden.
Bei dem Projekt für ein Landhaus aus Backstein (1923) sind
Innen die Ineinanderfließende Räume durch die Wände
(nur) gegliedert, die Einfriedungsmauer ragen weit in die umgebende
Natur hinaus.
Die Lehren aus dem Osten wurden auch am Barcelona Pavillon (1929)
umgesetzt.
Der Bau wurde eigens für die Weltausstellung entworfen und
war hier das Japanistische auf der Weltausstellung
Kennzeichnend für diesen Bau ist der offene Grundriss, statt
abgeschlossener viereckiger Zim-mer finden wir offene, ineinander
übergehende Räume.
Eine fließende Raumfolgen die frei unterteilbar waren, da
Skelettbauten nur Stützen und keine tragende Wände benötigen
ist bei dem Bau besonders auffällig.
Mies ging bei seinen Bauten von einem letzten, unteilbaren Element
aus, auf dem sich der ganze Grund- und Aufriss aufbaute. Dieses
Verfahren entspricht jener japanischen Bauweise, die ihre architektonische
Gesetzmäßigkeiten in der kleinsten japanischen Lebenseinheit
findet, in der Tatami. Aber wie in Japan der Grundriss aus dem
Netz der Tatami als der kleinsten Lebenszelle erwuchs, so erwächst
nun bei Mies van der Rohe dieser Grundriss aus dem Netz der jeweiligen
kleinsten Baueinheit.
Eine weitere Besonderheit bei Mies van der Rohes war die sichtbare
Unterscheidung von „Skin and Skeleton“. Es wird unterschieden
zwischen rein konstruktiven und bloss verkleideten Bauelementen.
Die japanischen Bauten weisen eine hervorrragende Präzision
auf, sowohl in der Ausführung der konstruktiven, als auch
der verkleideteten Elemente. Die Schiebetüren übernehmen
hierbei die Funktion der Verkleidung. Der offene Grundriss ohne
feste Wände und die leere im Raum, die Einbeziehung der Umgebung,
so dass der Garten Teil des Hauses wird sind ebenfalls Elemente
die Mies verwendete.
Eines seiner spätesten Werke ist das Farnsworth house (1950
). Die dort gewählte Formsprache ist klar und einfach.
Er versuchte im Inneren des Gebäudes Proportionen zu schaffen,
die den Menschen in die Harmonie mit dem Außen, der Natur,
führte. Diese Steigerung der Offenheit im Inneren und zur
Außenwelt gelang Mies van der Rohe durch die asymmetrische
Anordnung der Grundrisse.
Bruno Taut (1880-1938)
Tauts wichtigster Beitrag zur Japan-Rezeption
in Europa und Nordamerika ist sein 1936 erschienenes Buch „Houses
and People of Japan“.
Während er zu Beginn seines Schaffens ein Anhänger des
Expressionismus (Werkbund-Pavillion, „Die Stadtkrone“)
war, wurde er später ein wichtiger Vertreter der Moderne
und setzte sich auch – wie viele seiner Zeitgenossen –
mit orientalischer und asiatischer Kunst und Architektur auseinander,
insbesondere mit japanischen Holzschnitten.
Die Grundsätze des Neuen Bauens, die zu großen Teilen
auf Einflüsse japanischer Bautradition, aber auch der des
englischen Landhauses und andere zurückgehen, setzte er konsequent
in seine Wohnhäusern und Großsiedlungen um.
Werke
1914 Glaspalast für die Werkbundausstellung
Köln
1912-15 Wohnsiedlung Reform Magdeburg
1917 Die Stadtkrone (Projekt)
1921-22 Hermann-Gieseler-Halle („Stadt und Land“)
Magdeburg
1922 Chicago Tribune Tower (Projekt)
1925-27 Siedlung Britz (Hufeisensiedlung) Berlin
mit Martin Wagner
1926 Wohnhaus des Architekten Berlin-Marzahn
1926-27 Haus des Architekten Dahlewitz
1927 Haus in der Weißenhofsiedlung Stuttgart-Nord
1927-28 Wohnanlage Grellstraße Berlin-Prenzlauer Berg
1930-31 Gymnasium Senftenberg
1926-32 Großsiedlung Onkel Toms Hütte Berlin-Zehlendorf
mit Hugo Häring und Otto Salvisberg
1931-32 Berufsschule Senftenberg
1937-40 Literaturfakultät der Universität Ankara
In Katsura fand ich den Beweis für meine
Theorie, den ich als gültige Grundlage der modernen Architektur
ansah.
[Bruno Taut]
Die orientalische Fromensprache hatte ihn
seit seiner frühen Jugend so sehr angezogen, von ihr allein
wurde er innerlich bewegt und keineswegs von der japanischen,
die erst viel später einigen Reiz auf ihn auszuüben
begann, ihn jedoch nicht sehr tief beeindruckte, auch wenn er
sich das gewünscht haben mochte.
[Tokuguen Mihara über Bruno Taut]
Walter Gropius (1883-1969)
Wann genau Gropius Beschäftigung mit der
Kultur Japans begonnen hatte, liegt, wie bei anderen Architekten
auch, im dunkeln.
Walter Gropius sah Japan erst 1954, die Kultur war ihm jedoch
schon vorher bekannt durch das Studium von Büchern, Bildbänden
und Ausstellungsbesuchen mit Architektur und Malerei, Skulptur
und Kunsthandwerk der Japaner vertraut machen.
1905 erschien Kakuzo Okakuras: „Das Buch vom Tee“,
eine Lobpreisung Japans und des japanischen Geistes. Das Buch
war zu dieser Zeit Lesestoff der gebildeten Schichten zu denen
Gropius zweifellos gehörte.
Von der Philosophie des Zen habe er vor seiner Japan Reise nichts
gewusst. Nachträglich habe er sich dann in die Schriften
über den Zen und den Einfluss auf das Leben und Kultur in
Japan hat, vertieft.
Einen weiteren starken Einfluss hatte die chinesischen und japanischen
Holzschnitte auf Gropius.
Zum Werk Walter Gropius
Das Wohnhaus in Lincoln (1938) ist in seiner
Substanz sehr japanisch und beeindruckte durch seine Einfachheit
und Wohldurchdachtheit.
„ Gropius fühlte Japan ohne es gesehen zu haben.
Er hatte Japan im Herzen und fügte durch die Reise die Anschauung
der Realität und die Philosophie hinzu.“ Karin Kirsch
Bei den Zen Gelehrten Suzuki hinterließ das Haus Eindruck,
da es mit seiner Zweckmäßigkeit und seiner Anordnung
und Übereinstimmungen mit den Grundsätzen des Zens hatte.
„ Neunzig Jahre alt war der Zen Gelehrte Suzuki, als er
Gropius aufsuchte und das Haus (in Lincoln) besichtigte. Der greise
Gelehrte sah sich das Haus an, zog sich für fünf Minuten
zu einem Nickerchen zurück und gesellte sich dann wieder
den Gastgebern zu, um in einer wahren Ruhmesrede das Haus zu preisen,
seine Zweckmäßigkeit und seine Übereinstimmung
mit den Grundsätzen des Zen.“ (Reginald Issacs)
Durch die vorgezogenen Elemente wie den überdachten Eingang,
die ebenerdige Veranda welche sich in die Landschaft hinaus streckt
wurde eine Verbindung mit der Natur erreicht.
Das Gebäude ist programmatisch mit allen Merkmalen der modernen
Architektur konzipiert, vollständig aus Fertigelementen in
einheimischen leichten Materialien errichtet.
Das Haus hatte eine enorme Wirkung auf die Gegenwart,
es entwickelte sich zu einem Ausstellungsstück, welches täglich
von Studenten, Architekten besichtigt wurde.
„Moderne Architektur ist: japanische
Kultur plus europäische Tradition!“
[Adolf Loos]
Zahlreiche räumliche Elemente und architektonische
Prinzipien wurden aus Japan in die Architektursprache der Moderne
übernommen (wobei nicht immer alle dieser Prinzipien vollständig
verstanden worden sind).
Bleibende Einflüsse in der Architektur des
„Westens“ bis heute sind: Ornamentlosigkeit, „Ehrlichkeit“
in Struktur und Materialien, Einfachheit und Zurückhaltung,
Flexibilität und Modularität, die Differenzierung von
Skin and Skeleton, Transparenz, die Thematisierung der Beziehung
zwischen Gebäude und Natur/Umgebung.
In der Geschichte der Moderne gibt es einige
wenige Architekten und Künstler, die selbst in direktem Kontakt
mit Japan und/oder seiner Kultur standen und auf die Rezeption
der japanischen Kultur in Europa und Nordamerika aktiven Einfluss
nahmen. Demgegenüber stehen zahlreiche Zeitgenossen wie auch
folgende Generationen, die – beeinflusst von den verschiedensten
Strömungen ihrer Zeit – in ihren Werken „japanische“
Elemente aufzeigen. Hierbei ist zu bedenken, dass nicht alle mit
japanischen Traditionen vergleichbaren Arbeiten automatisch auch
auf einen japanischen Einfluss zurückzuführen sind.
Gleichzeitig sind viele japanische Gestaltungsprinzipien derart
verinnerlicht worden, dass in der Folge „japanische“
und „moderne“ Elemente nicht mehr eindeutig unterschieden
werden können.
Hier ist ein direkter, kausaler Zusammenhang zwischen ursprünglichem
Einfluss und späterem Wirken nicht mehr ohne weiteres nachweisbar
ist bzw. würde das Herausarbeiten dieser Zusammenhänge
den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
Ein Beispiel hierfür ist Rudolph Schindler.
Er studierte Architektur bei Otto Wagner an der Akademie der Bildenden
Künste in Wien, wo auch Adolf Loos tätig war. 1917 bis
1921 arbeitet er für Frank Lloyd Wright in Chicago und Los
Angeles. Dort gründete er schließlich sein eigenes
Büro und entwarf für seine eigene Familie und die Familie
Neutra das Wohnhaus Kings Road in Hollywood.
Neben diesen Einflüssen waren einige der wichtigsten programmatischen
Schriften seiner Zeit: die „fünf Punkte für eine
neue Architektur“ von Le Corbusier und Pierre Jeanneret,
die „Grundsätze der Bauhausproduktion“ von Walter
Gropius, das „De Stijl Manifest V: – +=R4“ von
Theo van Doesburg und van Eesteren, „Auf dem Weg zu einer
plastischen Architektur“ von Theo van Doesburg und „Suprematistisches
Manifest Uwinows“ von Kasimir Malevich.
Mit dem Entwurf seines Wohnhaus begründete Schindler den
neuen Architekturtypus des „California House“ (a one-story
dwelling with an open floor plan and a flat roof, which opened
to the garden through sliding doors while turning its back to
the street). Wesentliche „japanische“ Elemente hier
sind u.a.: Abwendung von der Straßenfront und Öffnung
zum Garten, fließender Übergang von Innen- und Außenraum,
Differenzierung zwischen tragenden und raumabschließenden
Elementen, Anpassung an das örtliche Klima, Verwendung eines
Rasters, tokonoma-ähnliche Verwendung des Kamins als Raum-Fokus.
Trotz dieser Fakten ließ sich innerhalb unserer Recherche
weder eine explizite Japan-Rezeption in Schindlers Schriften und
Bauten nachweisen, noch sind uns Reisen Schindlers nach Japan
bekannt. Vielmehr kann von der genannten Verinnerlichung ursprünglich
japanischer Prinzipien ausgegangen werden, die natürlich
nicht zuletzt von seiner Zusammenarbeit mit Adolf Loos und Frank
Lloyd Wright herrührt.
Aus Anregung der traditionellen japanischen Kunst
und der Umsetzung und Vermischung derselben wurden europäische
und amerikanische Kunstrichtungen. Nähme man allen japanischen
Einfluss weg, was bliebe übrig von der Moderne? Wir wären
auf jeden Fall einen anderen Weg gegangen. Wäre der japanische
Impuls im Exotischen steckengeblieben, [...] wären Stil und
Ausdruck unserer Zeit andere, sähe unsre Umgebung anders
aus.
[Karin Kirsch]
Bibliogafie
Blaser Werner: Mies van der Rohe. West meets East. Birkhäuser
Verlag. Basel.
Boston.Berlin1996.
(***)
Blaser Werner: Tempel und Teehaus in Japan. 2. Aufl. Birkhäuser
Verlag. Basel/Boston/Berlin 1988 (orig. 1955).
Grant Carpenter Manson: Frank Lloyd Wright to 1910. Reinhold Publishing
Corporation. New York 1958.
Kirsch Karin: Die Neue Wohnung und das Alte Japan. Deutsche Verlags-Anstalt.Stuttgart.1996.
(***)
Kunstgewerbemuseum Köln (Hrsg.): Christopher Dresser. Greven&Brechhold.
Köln 1981.
Meech Julia: Frank Lloyd Wright and the Art of Japan. The Architect’s
other Passion.Abrams.New York.2001.
March Lionel , Scheine Judith: RM Schindler-Composition and Construction.
Academy Editions. London 1993.
Nute Kevin: Frank Lloyd Wright and Japan. Chapman and Hall. London.1993.
(***)
Taut Bruno: Das japanische Haus und sein Leben. Gebr. Mann Verlag,
Berlin 1997 (orig. Houses and People of Japan, 1936).
Wright Frank Lloyd: The Japanese Print. An Interpretation. Seymour.
Chicago 1912.
Wright Frank Lloyd: Studies and Executed Buildings by Frank Loyd
Wright.
Verlag Ernst Wasmuth. Tübingen/Berlin 1998.
Yoshida Tetsuro: Das japanische Wohnhaus. Verlag Ernst Wasmuth.
Tübingen 1954.
(***)
Zeitschriften
The Wendingen Edition: The Work of Frank Lloyd Wright. (Reprint)
Bramhall House. New York 1965.
(***) Buchempfehlung
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