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Natur vs Künstlichkeit

Die Idee der Natur in der japanischen Architektur

Inhaltsverzeichnis
1. Allgemeine Einführung

2. Philosophisch-theologischer Hintergrund
Shintoismus – Weg der Götter
Taoismus – Urprinzip kosmischer Ordnung
Feng-Shui - Chinesische Geomant­ie
Zen-Buddhismus

3. Gartenformen
Frühe Gartenformen
Chitei – Teichgärten [chisen shuyu teien]
riyku – abgelegene Paläste
Paradiesgartenanlagen
kare-sansui-teien – Trockenlandschaftsgarten
Ryoan-ji
Daisen-in
roji – Teegarten
kaiyu – Wandelgarten
kleine Privatgärten
tsubo-niwa – Binnenhofgarten
Tsubo-niwa in Ichikawa, Tokyo
„M-Haus“ in Shibuya, Tokio

4. Miniaturabbild der Natur

5. Pocket Parks

6. Beispiele moderner Gartengestaltung
„Garten ins Haus geholt“ – Entwurf: Suiko Nagakura
„Modernes shakkei “ – Entwurf: Tetsuo Goto, Amon Miyamoto
„Glas und Wasser“ – Entwurf: Kengo Kuma
„Cool Garden“ – Entwurf: Murai Hiroshi

7. Ausblick

8. Situation/ Fazit

Anhang B – Literaturverzeichnis

1. Allgemeine Einführung

Beschäftigt man sich mit der Entwicklung japanischer Kultur und ihrer spezifischen Ausprägung, stößt man dabei unmittelbar auf die sehr eigene, tief mit dem Land verwurzelte Gartenbaukunst.
In ihr kann eine Art Bindeglied zwischen innerer Gesellschaftsstruktur, ihrer Philosophie und Religion und damit deren allgemeine Einordnung des Menschen im kosmischen Gefüge gesehen werden.
Diese Einordnung wird dadurch ermöglicht, dass sich im Wesen eines Japanischen Gartens das Naturverständnis dieser Menschen bei näherer Betrachtung sehr klar widerspiegelt.
Stellt sich ersteinmal die allgemeine Frage, was denn solch ein Garten an sich sei und welcher Quelle er in kultureller Entwicklung entspringt, kann die Idee einer solchen Anlage in Japan als eine Ausformung der „Suche nach dem Paradies“ und den Glauben daran verstanden werden, so wie jede Kultur mit ihrem spezifischen Glauben bestimmte Vorstellungen eines Paradieses und dem Leben nach dem Tod entwickelt. Die japanische Gartenbaukunst bezieht diesen Topos einer Paradiesvorstellung mit in die Gestaltung ein, worauf wir später eingehen.
Im Streben, ein Leben im Einklang und Harmonie zwischen Natur und Mensch zu erreichen, bildete sich mit zunehmender Differenzierung der japanischen Gesellschaftsstruktur und der damit sich verändernden Zeitnutzungsstruktur die Eigenart, bestimmte natürliche Formationen der Natur aus ihrem Zusammenhang abzugrenzen. Durch Einfassen, also Abgrenzen durch Einfriedungen, entstand aus dieser herausgelösten Natur etwas Neues und Anderes. Die nun mit in die höfische Palastarchitektur integrierte Natur wurde damit in einen neuen Kontext gesetzt und inspirierte den Menschen somit zu gestaltendem Umgang mit ihr.
In der japanischen Gartenbaukunst ist von einer geschaffenen Landschaft auszugehen, in der die Natur künstlich nachempfunden wird. In ihrer Darstellung wird sie somit zu einer Art kunstvoll idealisierter Komposition.
Die bis ins Detail genau studierte Umwelt mit ihrer zufälligen und zugleich ästhetisch ausgebildeten Formsprache diente somit stets als Vorbild, was mit ihrer ständigen Beobachtung zu einem Ideal in der Abbildung führte.
Das heißt in der japanischen Gestaltung verbindet sich die Liebe zum Natürlich-Zufälligen mit der einer geschaffenen perfekten Form.
Intensive Auseinandersetzung mit der Materie und der kontemplative Umgang mit ihr lassen eine Sprache zum Vorschein kommen, die das eigentliche Wesen behandelter Stofflichkeit auf das Essentielle reduzieren kann.
In einem japanischen Garten soll demnach mit seiner Vervollkommnung einer „veredelten Natur“ etwas Wesenhaftes, ein Sinn zum Ausdruck gebracht werden.
Diese Ausrichtung hat zum Ziel, unmittelbar Einfluss auf die Seele des Menschen zu nehmen. In Ruhe, Besonnenheit oder Meditation erfährt der Betrachter diese Gartenlandschaft als einen Mikrokosmos, als einen Teil des Ganzen sowie sich selbst. Hierbei wird deutlich, welche Stellung der philosophische und metaphysisch-religiöse Aspekt in der Gestaltung einnimmt.
Die Arbeit an einer japanischen Gartenanlage ist wie die eines Dichters oder Malers zu verstehen. Der Garten kann wie ein Buch gelesen werden, dessen Sprache eine komplexe Mischung aus Symbolik und Zeichen ergibt. Sie beschreibt in geradezu kodierten Motiven ein Weltbild, in das sich der Mensch in der Gesamtheit des Kosmos einordnen kann. Die Gartengestaltung kann als ein kontemplatives schöpferisches Mittel verstanden werden, bei dem sich die Suche nach Erkenntnis vom wahren Wesen und der Einheit allen Seins widerspiegelt und dabei den immerwährenden Wunsch menschlichen Strebens nach Glückseligkeit und ewigem Leben beschreibt. Als Konsequenz dieses Prinzips ist Selbstlosigkeit die einzige Möglichkeit, diesem Ideal näher zu kommen.
Der [einen Garten] Gestaltende ordnet sein Selbst und damit seine Individualität diesem Prinzip unter, wirkt auf das, was später aus sich selbst heraus wirken soll, und distanziert sich nach Vollendung vom geschaffenen Werk.
Bei dieser Thematik wird klar, dass sich die japanische Gartenkonzeption mit ihrer meditativen Wirkung auf Raum und Wahrnehmung grundsätzlich von der einer europäischen unterscheidet. Europäische Gartenarchitektur ist im Wesentlichen von einer linearen und von rationalwissenschaftlich entwickelter Zentralperspektive beeinflusst. So folgt die Gestaltung prinzipiell einem Grundmuster der Geometrie, in das die verschiedenen Elemente der Natur zu einem Ensemble gebracht werden.
Desweiteren muss hierbei das in Europa vorherrschende christliche Weltbild und die darauf aufbauende Machtstruktur in den Staaten erwähnt werden. Die in Europa groß angelegten Gartenanlagen sind einer Epoche zuzuordnen, in der der Mensch sich als Krone der Schöpfung betrachtete. Während dieser Epoche zählte bei der Realisierung einer solchen Gartenanlage ausschließlich die Repräsentanz und Prachtentfaltung des Herrscherhauses. Dem absoluten Machtanspruch folgend, bildete der Palast des Königs das eigentliche Zentrum der Anlage, das sich infolge der übersteigerten Selbstinszenierung jedoch über den Garten hinweg erhob und somit keinen direkten Bezug zueinander schuf. Das Gebäude ordnete sich über aber nicht in das Gesamtgefüge ein. Hierbei besteht nun mehr ein weiterer wesentlicher Unterschied, da in Japan bereits mit den ersten überhaupt angelegten Anlagen immer auf den unmittelbaren Haus-Garten-Bezug geachtet wurde, bei dem die Natur stets im fließenden Übergang mit Haus und Mensch kommunizierte, ein Prinzip, das erst in der Moderne zunehmend auch westliche Gestaltung in Architektur, Kunst und Design inspirierte.
Im Folgenden soll nun eine Übersicht gegeben werden, welche spezifischen Formen von Gärten die japanische Gartenbaukunst angenommen hat, damit im Anschluss der Aspekt erörtert werden kann, welchen Stellenwert dieses Kulturgut in der heutigen Zeit einnimmt und welche Veränderungen aufgrund des Wandels der Gesellschaftsstrukturen stattgefunden haben, und inwieweit in Japan auch europäische Einflüsse in Zusammenhang mit der zunehmend dramatischen Bevölkerungsdichte zu vermerken sind.
Welchen Einfluss hat die japanische Gestaltungsästhetik auf den Westen?

Zur Vertiefung folgt eine kurze Übersicht, über den philosophischen und religiösen Hintergrund japanischer Kultur. In der Vermischung der Einflüsse bildet sich das Grundvokabular einer sehr spezifischen künstlerischen Sprache , die der japanischen Gartengestaltung.

2. Philosophisch-theologischer Hintergrund

Wie bereits in der Einführung erwähnt, ist ein japanischer Garten in seiner Komplexität der Anlegung als ein Produkt verschiedenster kultureller Einflüsse zu verstehen. Religion, Philosophie, Aberglaube und Mythos bilden zusammen mit dem ureigensten Naturverständnis in Japan die prägende Basis für seine Gestaltung. Wenn sich auch im Laufe der Zeit die Gartenbaukunst in mannigfacher Weise weiterentwickelte, so folgte sie bei allen Formen und Größen sowie Themen und Wirkungen stets den Gesetzmäßigkeiten japanischen Weltverständnises, der Einordnung des Ganzen in ein kosmisches Gefüge.

Dieses Verständnis entwickelte sich dabei immer weiter. Ausgehend vom Shintoismus, eine der ältesten Glaubensrichtung Japans, einer Naturreligion, wurde das Gedankengut durch den kulturellen Einfluss anderer Länder erweitert. So nahm man die Lehre des Taoismus über China und Korea auf und dessen grundlegende kosmische Gesetzmäßigkeiten. Einfluss hatten auch vereinfachende Ausprägungen dieser Philosophie, bestimmte Volksweisheiten, denen auch die Geomantie entspringt, im Chinesischen als Feng - Shui bekannt.
Darüberhinaus spielte der im japanischen Mittelalter aufkommende Zen-Buddhismus eine wesentliche Rolle und ist bis zum heutigen Tag tief mit der japanischen Kultur verwurzelt.
Während einige Einflüsse spezifisch weiterentwickelt wurden, übernahm man Anderes, das einen bestimmten Zeitraum lang auf Mensch und Kultur wirkte und dann mit fortschreitendem Zeitgeist an Bedeutung verlor, so dass bestimmte Erscheinungen nur noch in einem neuen Kontext weiterbestanden. Damit mögen zum Beispiel die verschiedenen symbolhaft in den Gärten thematisierten Mythen gemeint sein, in denen sich hinduistisch-buddhistische, chinesische sowie Archetypen japanischer Vorstellungen zunehmend miteinander verquickten.

Shintoismus – Weg der Götter

Der Shintoismus ist im Eigentlichen als eine Art Naturreligion zu verstehen, in der die Natur mit all ihren Erscheinungsformen und den ihr innewohnenden Göttern verehrt wird. Japan ist mit seiner Landschaft durch unzählige kleine Inseln und schroff zerklüftete Küsten gekennzeichnet. Über 70% des Landes sind Berge, aktive Vulkane, heiße Quellen und Wasserfälle. Am großen Erdbebengürtel östlich des Pazifik gelegen, ist das Land extremsten Witterungseinflüssen ausgesetzt, die mit ihrer Gewalt unweigerlich tiefe Spuren im kollektiven Unterbewusstsein dieses Volkes hinterlassen haben müssen. Diese Erfahrungen brachten charakteristische Vorstellungsbilder von Göttlichkeit der sie umgebenden Natur hervor, in die folglich heilige Handlungen und Orte projiziert wurden.
So werden beispielsweise Bäume als Sitz der Götter angesehen. Insbesondere die mächtigen Zedern mit ihren gewaltigen und damit respekteinflößenden Dimensionen gelten als besonders heilig. Unter ihnen wurden auch die großen Nationalheiligtümer, die Shintoschreine, angelegt.
Felsen, Gesteinsformationen und Berge gelten ebenfalls als Sitz von Göttern oder werden als Ort des Götterabstiegs zur Erde verehrt. Göttliche Präsenz verbirgt sich somit hinter der Schönheit der Steine. Ein Aspekt, der mit am prägensten für die Japanische Gartengestaltung und ihrer Ästhetik ist.
Wird diese Verehrung und Wertschätzung des Steins (Iwakura oder Iwasaka genannt) noch zusätzlich mit einem shime-nawa (Heiliges Band) gekennzeichnet, nennt man dieses auch sehr typische Shinto-Symbol go-shintai (s.Abb. 1). Damit verbunden ist die tief in der japanischen Kultur verwurzelte Technik des Bindens, Knotens und die damit verknüpfte Kenntlichmachung von Territorialität und Eigentum sowie deren Akzeptanz. Das Private und Öffentliche werden strikt voneinander getrennt.

Darüberhinaus stellte die für heilig erachtete Reiskultivierung mit ihren Feldern einen weiteren wichtigen Ritus dar, der maßgeblich Ausgangspunkt für die ersten Gartenanlagen sein sollte.
Das Feld wurde am Fuß des Berges angelegt, von dem aus das Feld vom herunterfließenden Wasser bewässert werden konnte. Zur Kennzeichnung des Areals stellte man riesige Holztore, torii, (s.Abb.2) gegenüber des Berges auf und trennte somit die als heilig gekennzeichnete Erde von der weltlichen, dem profanen Teil. Diese Felder nennen sich shinden (s.Abb.3).
Zusammenfassend lässt sich demnach Shintoismus mit seinen Heiligtümern durch ganz spezifische Züge antiker japanischer Lebens-und Verhaltensweisen verknüpfen. So sind Naturverehrung, die Wertschätzung des territorialen Eigentums, die Verantwortlichkeit gegenüber seinem eigenen Handeln und seinen Vorfahren und damit die Einordnung in das gesamtkosmische Gefüge, der Sinn für das Reine und Klare und nicht zuletzt die rituelle Reiskultivierung wesentlichste Merkmale dieser Religion. Die Reinheit und Schlichtheit der zeremoniellen Riten hat zu einem Ausdruck der Formsprache gefunden, die auch heute nichts an Aktualität verloren zu haben scheint.

Taoismus – Urprinzip kosmischer Ordnung (1)

Obwohl das philosophische Prinzip des Taoismus im Eigentlichen nur sehr schwer zu beschreiben ist, geschweige denn in seiner Absolutheit jemals begriffen werden kann [wobei allein das Wort „be-greifen“ bereits die Beschränkung der Sprache aufzeigt], bildet es in seinem Ursprung als „Lehre“ eine wesentliche Grundlage jedweiliger Philosophie und Weltanschauung, insbesondere im Weltbild asiatischer Kulturkreise.

Tao ist als ein Urprinzip allen Lebens zu verstehen, als eine Kontinuität im Fluss kosmisch allgegenwärtiger Energie. Es ist dabei etwas Absolutes und in seiner Ordnung im immerfortwährenden Fließen in sich selbst ruhend. Tao ist dabei das Unergründliche, der eigentliche Ursprung allen Seins und aller Ursache. Es wirkt in seiner Unendlichkeit und steter Passivität doch immer wieder aus sich selbst heraus. Tao ist unergründlicher Weg, Anfang und Ende allen Seins zugleich und dabei Wirkungsspur aller Kausalität an sich. Bleibt Tao für uns nicht nachvollziehbar, so wirkt es doch in seiner Irrationalität, im Rationalen, ist wirksam im Unsichtbaren auf das Sichtbare, hat Auswirkung auf das uns unmittelbar Umgebende.
Möchte man Tao einer Begrifflichkeit annähern, so könnte man es vielleicht „das alles Durchdringende, Überströmende“ oder „die Urkraft des Werdens allen Seins, zugleich aber leer und in sich wesenslos“ , möglicherweise auch als „das ewig aus sich selbst Quellende“ oder „das aus der Unendlichkeit Kommnende und in sich wieder Zurückkehrende“ bezeichnen.
Tao wirkt im metaphysischen Pfad kosmischer Lebensenergie im Einklang und Harmonie mit dem Ganzen, dem allgemeingültigen und grenzenlosen Gefüge des Universums.
Mögen noch so viele Worte versuchen, das Unfassbare der Betrachtung näher zu bringen, alles ist letztlich nur als Wegweiser zu betrachten. Es gilt, sich einer Bewusstwerdung kosmischer Zusammenhänge zu öffnen, sich im Innersten von allen Nichtigkeiten zu entleeren und das im Ursprung Wahre und Seiende zu erkennen, sich vom Tao durchströmen zu lassen.
Strömen lassen, im Fluss sein, Durchdringen, Worte, die möglicherweise einem Prinzip des Tao näher kommen, sprechen von Einklang und Ganzheitlichkeit passiver Durchdringung im Fluss kosmischen Energieflusses voll Harmonie.
Wichtig ist dabei die moralisch ethische Wesensart des Menschen. Den Weg der Erkenntnis findet ein jeder nur über die innere Wahrheit. Dabei spielt nicht so sehr die ratio, das Begreifen mit dem Verstand die wesentliche Rolle, vielmehr geht es um das Ergriffen werden, um das Aufgeschlossenen-sein des Seelisch-geistigen.
Letztlich muss jedem dabei bewusst sein, dass selbst der auf dem Weg zur Erkenntnis Schreitende sich immer nur am Anfang des Weges wiederfindet, der Weg zur Erkenntnis weist stets auf den Weg dorthin.
Es wird offensichtlich, dass sich niemals konkrete Aussagen oder allgemeingültige Zuordnungen über diese allumfassende „Lehre“ treffen lassen, es bleibt unergründlich und undefinierbar.

Mit dem Versuch eines Erklärungsansatzes von Tao besteht die Möglichkeit, den Gedankengang nachzuvollziehen, inwiefern dieses so schwer zu Erfassende möglicherweise Ausgangspunkt dafür war, dass die nach LaoTses Versen weiterentwickelten Ideen, philosophischen Ansätze und vor allem die allzu vereinfachenden Religionsrichtungen versuchten, das Ganze zu etwas „Greifbaren“ zu machen. So bildeten sich vereinfachte Vorstellungsstrukturen im Weltbild. Eine Art Volksglauben entstand, ein Konstrukt, in dem hierarchische Prinzipien dem Menschen in einer Welt von Göttern und Dämonen, von Herrschern und Untertanen, vom Guten und Bösen sowie Zauberei und Aberglaube klar vorgaben, was er zu tun hatte und welche Rolle der Mensch in seinem Leben einzunehmen hatte.
In diesem Sinne bildete sich unter anderem die empirische Lehre des Feng Shui heraus.

Feng-Shui - Chinesische Geomantie

Diese auf Beobachtung und über einen sehr langen Zeitraum gewonnenen Erfahrungen über die Natur und ihrem Rhythmus geben eine Art empirisches Regelwerk vor, nach dem man sich bei der Plazierung und Gestaltung eines Hauses oder einer Gesamtanlage richten kann.
Dabei gilt es, sich dem energetischen Fluss anzupassen, nicht etwa gegen ihn zu arbeiten. Der Mensch ist Teil des Kosmos und damit energetischer Bestandteil des Ganzen, der Natur.
So wird bei der chinesischen Geomantie ein komplexes Konstrukt aufgestellt, bei dem geophysische Faktoren, geologische Ausformungen des Landes, des Klimas, der Jahreszeiten und der magnetischen Energiefelder unter Einfluss der Gestirne in ihrem Zusammenspiel aufeinander wirken.
Das psycho-somatische Wohlbefinden des Menschen wird damit direkt in Verbindung gebracht und zeigt somit auf, für wie wichtig diese Aspekte bei der Konzeption von Architektur gehalten werden.
Die Lehre ist auch Ausdruck eines harmonischen Zusammenspiels, des Prinzips von Yin und Yan, den sich vereinenden voneinander abhängigen Gegensätzen, dem Licht und der Dunkelheit, dem harten Kräftigen und dem weichen Schwachen oder Nachgiebigen.
Trotz eines Teils unverkennbaren Aberglaubens in dieser Lehre beinhaltet die Geomantie in ihrem Kern viel Wahres, da sie insgesamt gesehen die Erkenntnis vom Zusammenwirken des ökologischen Gleichgewichts zwischen Mensch und den Kräften der Natur vermittelt.
Feng-shui war als Konzeptansatz für die japanische Gartengestaltung von entscheidender Bedeutung. Mit ihrer Hilfe wurde die geographische Lage der Gärten bestimmt. Zu Hilfe wurde der geomantische Kompass genommen (s.Abb.4), ein Abbild des Kosmos in seinen räumlichen und temporalen Beziehungen, geradezu wie ein Mandala, das ikonographisch das Vorstellungsbild des Weltgebäudes darstellt.
Die chinesische Geomantie ist somit wesentlicher Bestandteil japanischer Gartengestaltung und ihrer Konzeption. Darüberhinaus ist bis in die heutige Zeit eine andere religiös-philosophische Richtung für den Charakter japanischer Gärten von Bedeutung, der Zen-Buddhismus.

Zen-Buddhismus

Bei dem während der Kamakura-Zeit im 12. Jhrt. aufgekommenen Zen-Buddhismus handelt es sich um eine Abspaltung der eigentlichen Lehre Gautama Buddhas (2). Mit ihm brach die zweite große Welle chinesischen Einflusses über Japan herein und brachte damit weitere maßgebende Veränderungen in der kulturellen Entwicklung Japans.
Vermittelt uns die Lehre ebenfalls die kosmische Einheit allen Seins und den zu beschreitenden Pfad zur Erleuchtung, der Erkenntnis über sein Selbst im sich Verschmelzen mit dem Ganzen, so wird diese Wahl der Lebensweise aber mit einer Art meditativen Ausbildung verknüpft, die einem recht rigiden Meister-Schüler-Verhältnis gleichkommt. Züchtigung als Mittel der Erziehung sowie eine klare Differenzierung der Hierarchiestufen sind zumindest in der Art der Vermittlung der Lehre abweichend.
Ziel ist es, mittels Übungen der Meditation und Versenkung zur Erleuchtung zu gelangen. Dies ist jedoch nur bei absoluter Kontrolle über sich selbst erfahrbar, dem ji-riki. In der Erziehung zur Selbstdisziplinierung stellt der Meister eine Art Vorbild dar, was jedoch nicht bedeutet, dass ein Meister mittels einer bestimmten Methode seinen Schüler gezielt zu einer solchen Erfahrung verhelfen könnte. Die Erlösung in einer solch spirituellen Bewusstseinserfahrung muss letztlich selbst erlangt werden. Die Grenzen des Verstandes sind zu durchbrechen, so dass sich das endlos fragende, urteilende und denkende Ich auflöst.
Zur Zeit des Shogunats und der Herrschaft der Samurai identifizierte man sich sehr mit dieser Geisteshaltung, und sie erfuhr regen Zulauf und Zuspruch in ihrem Ausdruck künstlerischen Schaffens. In Literatur, Malerei, der Formsprache der Architektur sowie in Produkten des Handwerks spiegelt sich die besondere Sichtweise der Dinge wider. So entwickelte sich auch eine andere Haltung zum Garten, der nun nicht mehr als ein Ort der Muße und dem kulturellen Zeitvertreib galt, sondern ein Ort der Ruhe und Meditation sein sollte. Mit geradezu puristischer Klarheit und Schlichtheit legte man Trockenlandschaftsgärten an, die mit ihren großen Steinen im Sand lediglich symbolhaft auf das Wesen der Natur und des Kosmos deuteten.

3. Gartenformen

Frühe Gartenformen
Tumulus Zeit [250-552] Asuka-Zeit [522-710] Nara-Zeit [710-794]

Die ersten Formen der in Japan vorkommenden Gärten entsprachen nicht den klar geordneten Gärten, wie wir sie heute kennen. Vielmehr handelte es sich hierbei um eine Einfriedung unveränderter Natur. Erst durch die Abgrenzung von der restlichen Natur wurde aus der ungeformten Landschaft der bewusst hervorgehobene Garten.
Schon sehr bald wurden diese Gärten, oft riesige Areale, unter bestimmten Themen gestaltet.
Bekannt sind Hinweise aus dem Nihon shoki (3):
Im Jahre 401 ließ Kaiser Richu einen Teich in seinem Palastgarten in Ihare anlegen. Im Jahre 486 ging „Kaiser Kenzo in den Garten, wo er am Ufer des gewundenen Baches ein Fest feierte“. (4)
„Im Jahre 625 ließ der Minister Soga no Omako, der dem mächtigen Soga-Clan angehörte, an seinem Palast, am Ufer des Askua-Flusses gelegenen, einen Teich mit einer kleinen Insel darin anlegen. Die Leute nannten ihn deshalb den Shima no oho omi, den Herrn der Inseln“. (5)
Die genaue Lage der Gärten der damaligen Zeit lässt sich nicht mehr rekonstruieren, allerdings gab es drei typische Orte, an denen solche Gärten angelegt wurden. In den Städten um die Paläste der herrschenden Schicht, in den buddhistischen Tempelbezirken und an den Rändern der Städte im Übergang zur wilden Natur.

Chitei – Teichgärten [chisen shuyu teien (6)]
Heian-Zeit [794-1185]
Die erste sich ausprägende Gartenform ist der Palastteichgarten [shinden-zukuri-teien (7)].
Dieser Gartentyp besteht aus einem Flusslauf, der, den geomantischen Regeln und Vorschriften zufolge, von Osten in den Shindenbezirk eintritt, dann nach Süden geleitet wird und den Garten gen Westen wieder verlässt. Dieser Fluss wird im Inneren des Gartens zu einem See mit mehreren kleinen Inseln erweitert. Die Inseln sind untereinander mit Bogenbrücken verbunden. Diese Inseln haben einen besonderen Ursprung.
Dem Horai-Mythos nach, einer antik chinesich-taoistischen Vorstellung zufolge, liegen weit östlich der chinesischen Küste fünf Inseln. Auf diesen haben die Menschen Unsterblichkeit erlangt und leben in ewiger Harmonie zusammen. Hier herrscht Harmonie zwischen Mann und Frau sowie zwischen Mensch und Natur. Die Menschen fliegen auf Kranichen um die Berggipfel. Die Inseln liegen auf dem Panzer einer riesigen Meeresschildkröte, die nach einem Kampf mit einem Meeresungeheuer zwei der fünf Inseln verloren hat.
In fast jedem Garten findet sich denn auch eine Anspielung auf diesen Mythos. In den Teichgärten gibt es Kranich- und Schildkröten-Inseln, die nicht durch Brücken erreichbar sein dürfen. Erst am Ende der Momoyama-Zeit [1573-1603] wird hiermit gebrochen, und die Horai-Inseln werden durch Brücken zugänglich gemacht. Dies sieht man beispielsweise im Garten des Sambo-in-Tempels (8) aus dem Jahre 1598. Er ist jedoch nicht zum Durchschreiten, sondern zum „Erblicken“ vom shoin (9) aus angelegt.

Die hoch formalisierte, symmetrische Palastarchitekur der frühen Heian-Zeit zeichnet sich durch die sogenannte geomantische „Lehnstuhlform“ aus. So bilden ein Längsriegel mit der Haupthalle, mit den zwei Nebenhallen an der Nordseite und den beiden Korridoren zu den Pavillons, die die beiden Querriegel bilden (s.Abb.5 u. 6), diese Form. Der Lehre nach kommen böse Geister aus dem Norden. Die Ausrichtung der Lehnstuhlform verschließt sich nach Norden und öffnet sich nach Süden. Gleichzeitig befindet sich die rituelle Platzierung des Kaisers im Norden, bedingt durch die Lage des Polarsterns im Norden.
Die strenge rechtwinklige Architektur bildet dadurch ebenso den Rahmen für die Gartenanlage.
Der Innenhof auf der Südseite der Haupthalle (nan-tei (10)) wurde meist schlicht gehalten, traditionell befindet sich hier nur eine schmucklose freie weiße Sandfläche, auf der einerseits religiöse Tanzzeremonien aber auch weltliche Hoffeste gehalten wurden. Dies erklärt sich auch in der Doppelfunktion des Kaisers als politischer Herrscher der Nation und höchster Priester.
Die beiden Seitentore der Korridore zu den Pavillions (nikkamon und gekkamon (11)) erklären sich durch den Umstand, dass der Palast mit seinem Garten auch Abbild des Kosmos sein soll.
Eine berühmte Prosageschichte schildert auch die Geschichte vom Prinzen „Genji Monogatari“. Hierin wird erwähnt, dass der Prinz die vier Himmelsteile seines Gartens den Jahreszeiten entsprechend gestalten ließ, so dass jeder Teil in der ihm zugehörigen Zeit besonders reizvoll erblühte. Dies war gleichzeitig eine Hommage an seine vier Lieblingshofdamen.
Diese Teichgärten waren im Speziellen dafür erdacht, sie vom Boot aus zu „erfahren“. So fanden auf den Seen vielfältige Feste statt, bei denen Poesie, Musik und Kunst durch die Schönheit des Gartens angeregt wurden.

In der zweiten Hälfte der Heian-Zeit änderte sich die Architektur der Shinden. Asymmetrische Palastanlagen, bei denen die einzelnen Palastteile ineinanderflossen, nahmen den Platz der streng symmetrischen Paläste ein. Einen Höhepunkt erreichte diese Form unter der Herrschaft des Fujiwara-Clans [um 950].

riyku – abgelegene Paläste

Zu erwähnen ist auch eine spezielle Ausprägung der Teichgärten. Durch die rasterförmige Unterteilung der Städte waren die innerstädtischen Gärten stark eingeschränkt. Seit der Nara-Zeit hatten die Adligen daher die Angewohnheit, sich am Rande der Hauptstadt, Villen mit Gartenanlagen zu bauen. Diese Anwesen hießen seit der frühen Heian-Zeit riyku oder sento gosho(12).
Ein erhaltener Garten aus dieser Zeit ist der osawa no ike (13) (s.Abb.7), der von Kaiser Saga (809-823) angelegt wurde. Der Teich hat eine Wasseroberfläche von etwa zwanzigtausend Quadratmetern.

Paradiesgartenanlagen

Ende des 11. Jahrhunderts entwickelte sich unter der Herrschaft des Fujiwara-Clans der sogenannte Paradiesgartentyp. Diese Gärten wurden als Repräsentation der buddhistischen Glaubensvorstellung eines reinen Landes im Westen aufgefasst.
Ganz den Zeichnungen und Tuscherollen dieser Glaubensvorstellung entsprechend, wurden auch die Tempel- und Gartenanlagen dieser Zeit angelegt. Sie dienten ausschließlich religiösen Zeremonien und nicht, wie die Gärten und Tempel der Heian-Zeit, höfischen Ritualen. Die strenge Architektur der shinden der Heian-Zeit entsprach mit ihrer Symmetrie und Ausrichtung nach Norden, weitestgehend den Vorstellungen des Amida-Buddhismus und wurde in seinen Tempelanlagen übernommen. Die Gartenanlagen unterschieden sich hauptsächlich durch den Umstand, dass nur noch eine große Mittelinsel statt der vielen kleinen im See lagen, auf der die Zeremonien abgehalten wurden.
Hinweise darauf, wie dieser Gartentyp ausgesehen haben könnte, gibt die Rekonstruktion des Hoji-ji-Tempels (14).

kare-sansui-teien (15) – Trockenlandschaftsgarten
Kamakura-Zeit [1185-1333] (16), Muromachi-Zeit [1336-1573] (17)
Der Begriff kare-sansui findet sich bereits im Sakutei-ki (18). In ihm wird er als technischer Begriff verwendet, der eine Gartentechnik bezeichnet, die ohne Wasser auskommt, wenn demnach kein Wasser als integrativer Bestandteil des Gartens zur Verfügung stand.
Während der Kamakura- und Muromachi-Zeit wurde diese Gestaltungsart wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. So wurden nun auch Trockengärten an Orten angelegt, wo durchaus Wasser als Element hätte eingesetzt werden können.
Während der Kamakura-Zeit entstanden erste Mischformen zwischen Teich- und Trockenlandschaftsgärten. Der Tempelgarten des Saiho-ji (19) ist ein gutes Beispiel für das Nebeneinander von kare-sansui- und chitei-teien. Im nördlichen Teil dieses Gartens gibt es unter anderem eine Steinformation, die Schildkröteninsel, die inmitten einer Wiese liegt. Auch trockene Kaskaden, die das Gefühl eines Wasserlaufes vermitteln, werden angelegt.
Wasser als stets gegenwärtiges Symbol des Lebens wird nicht mehr durch sich selbst repräsentiert, sondern zunehmend durch andere Materialität angedeutet. Flussläufe werden durch ein trockenens Kiesbett symbolisiert, wobei die Lage und Farbe der einzelnen Steine sorgfältig gewählt wird. Steinformationen bilden „trockene“ Wasserfälle, die wie ihre „nassen“ Vorbilder ebenfalls über den mythologischen Karpfenstein am Fuß des Wasserfalls verfügen können und in trockene Flüsse münden oder direkt am Ufer eines richtigen Sees positioniert sind. Riesige Sandflächen mit einzelnen Stein- oder Grasinseln werden wie Teiche angelegt.
Dieser Gartentyp zeigt ein hohes Maß an Abstraktionsvermögen in der Gartengestaltung auf und verdeutlicht einmal mehr, dass ein Element mehr als seine bloße Stofflichkeit beinhaltet.
In die Zeit dieser Mischformen fallen auch die beiden berühmten Gartenanlagen des Kinkaku-ji (s.Abb.8 u.9), „Tempel zum Goldenen Pavillon“ und des
Ginkaku-ji (s.Abb.10 u. 11), Tempel zum Silbernen Pavillon“. Der Goldene Pavillon entstand etwa um das Jahr 1394. Die Gestaltung ist noch eindeutig von chinesischem Einfluss geprägt.
Der Garten ist so angelegt, dass er in seiner Wirkung vom Pavillion aus gesehen am eindrucksvollsten erlebt werden kann. Dabei ist zu bemerken, dass die dreistöckige Palastanlage erstmals einen Blick aus der Vogelperspektive über den Garten ermöglichte. Obwohl ein Pfad zwischen den Teichen, Inseln und Hügeln verläuft, war dieser Garten nicht zum Durchwandern gedacht.
Im etwa 80 Jahre später angelegten ginkaku-ji wurde neben dem typischen Teichgarten, der vermutlich als Wandelgarten konzipiert war, ein nur zweistöckiges Gebäude erbaut. Allerdings wurde in diesen Garten auch ein Trockenlandschaftsteil integriert, der bereits auf die voll entwickelte Form des kare-sansui der Muromachi-Zeit hinweist.
Neben einem kare-sansui-Teil, der dem Garten des Sahiho-ji nachempfunden ist, findet sich auch eine große weiße Sandfläche mit einem dem Berg Fuji nachempfundenen Sandberg. Man nennt diese Fläche ginshananda, „silberner Sand und offene See“ und den Berg kogetsudai, „die dem Mond zugewandte Anhöhe“.

Die von Unruhen geprägte Muromachi-Zeit, in die die bürgerkriegsähnlichen Onin-Kämpfe (20) fallen, stellt trotz dieser Umstände eine kulturelle Blütezeit dar, in der sich wichtige Kunstformen etablierten, die heute als die prägensten japanischer Kultur angesehen werden. So fallen die Erfindung des Noh-Theaters, der Teezeremonie, der traditionellen japanischen Landschaftsmalerei (s.Abb.12), der shoin-Architektur und die des reinen kare-sansui-teien in diese Zeit. Die Weiterentwicklung des kare-sansui-teien von der Mischform zwischen Teich- und Trockenlandschaftsgarten, wie wir sie im ginka-kuji vorfinden, lässt sich am besten am Beispiel des Ryoan-ji und des Daisen-in festmachen.

Interessant ist auch eine gesellschaftliche Entwicklung, die in dieser Zeit mit der Entwicklung des kare-sansui-teien einhergeht.
Während in der Kamakura-Zeit die Gärten hauptsächlich von den Ishitateso (21) und später von Zen-Mönchen angelegt wurden, führten in der Muromachi-Zeit auch die Kawaramono (22) Gestaltungsarbeiten durch, und erfuhren durch ihre angesammelten Erfahrungen gesellschaftlichen Aufstieg. Anfangs hauptsächlich für schwere Gartenarbeiten, wie Erdbewegungen, Steinsuche und Transport herangezogen, konnten sie durch diese Arbeiten einen reichen Erfahrungsschatz ansammeln, so dass sie bei den Shogunen aufgrund dessen sehr schnell zu hohem Ansehen gelangten. Sie gelten auch als die ersten professionellen Gartenbauer Japans.

Die an die Macht gelangten Shogune bevorzugten die Kunstwerke der chinesischen Song-Dynastie (23) und die Lehren des Zen-Buddhismus, da sie sich auf diese Weise von den traditionellen Kunstrichtungen in Japan abheben konnten, und die schlichte Strenge des Zen ihrem eingenen Handlungsideal sehr nahe kam.
Im Sinne zen-buddhistischer Empfindung für das Wesentliche, konzentrierte man sich in der Gestaltungssprache des wahrzunehmenden Raumes auf das Innere. Statt ein Ort leichtfertigen Zeitvertreibs mit spektakulären Formen sollte der Garten nun ein Ort der inneren Einkehr sein, die Möglichkeit für Ruhe und Meditation bieten. Der Geist sollte angesprochen werden mit Mitteln der Andeutung, Symbolik und Reduktion. Im Wesen der Anlegung setzte man die Steine nur in Andeutung auf einen Kontext, sie gaben nichts Direktes vor. Der Betrachter sollte mit seiner eigenen Sichtweise involviert werden, sich der Wirkung meditativ hingeben.
Die meditative Wirkung einer solch „leeren“ Sandmeerfläche muss zweifelsfrei sehr eindringlich sein und führt uns sehr klar einen Weg von Sinngebung des Lebens im kosmischen Gefüge vor Augen - Arbeit, Meditation und Erlösung.
Im Gegensatz zu den Gärten der Heian-Zeit und den Mischformen der Kamakura-Zeit sind die Muromachi-Gärten nicht mehr zum Lustwandeln gedacht, sondern bilden mit ihrer Funktion als Tempelgärten einen weiteren Typ Garten. Sie entwickeln sich zu geistigen Zentren der Lehre des Zen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass diese Gärten wie all die anderen vom Zen beeinflussten Künste im Wesentlichen durch sieben Charakteristika im Gestaltungsideal gekennzeichnet sind. Es finden sich in ihnen Prinzien der Asymmetrie und der Schlichtheit und demnach auch Prinzipien einer kargen Erhabenheit oder Trockenheit. Dabei bewahren sie immer Natürlichkeit und Ruhe in ihrem Wesen. Raffinierte Tiefe und Verschlossenheit sowie eine stets schwebende Losgelöstheit vor dem Betrachter sind Merkmal dieser mit „leeren“ Flächen angelegten Gärten.

Zwei Beispiele werden im Folgenden behandelt.

Ryoan-ji

Die höchste und in sich reinste Form des kare-sansui-teien wurde mit dem Zen-Garten vor dem hojo (24) im Ryoan-ji -Tempel (s.Abb.13 u. 14) in Kyoto erreicht. Auf einer 340 m² großen Sandfläche sind 15 Steine gesetzt. Einzige vorhandene Bepflanzung sind die um die Steininseln gebetteten Moosteppiche.
Die Steine sind so in Gruppen (drei-fünf-sieben) auf der Sandfläche verteilt, dass immer nur 14 Steine gleichzeitig gesehen werden können, ein Beispiel für den individuell interpretierbaren Kontext dieser Gestaltung. Der Garten ist von einer niedrigen Mauer umgeben, die die Sandfläche einrahmt, gleichzeitig aber den Blick auf die dahinter liegenden Bäume zulässt und diese somit in den Garten mit einbezieht. Dieses Prinzip nennt man shakkei – das Prinzip der „geborgten Landschaft“ (s.Abb.15 u. 16).
Von einer großen Veranda aus kann man den Garten sitzend betrachten. Interessant dabei ist, dass das Wort „sitzen“ im Japanischen gleichbedeutend mit „meditieren“ ist.

Daisen-in

Der Daisen-in (s.Abb.17-19) ist das zweite große Beispiel des kare-sansui-teien- Stils.
Garten und Haupthalle des Daisen-in (25) wurden wahrscheinlich im Jahre 1513 vollendet. Der Daisen-in ist ein Subtempel des Daitoku-ji, des bedeutensten und größten Zen-Tempelkomplexes in Japan.
Auf engstem Raum umfließen hier drei verschiedene Gärten die hondo (26). Im Gegensatz zum geradezu wie ein Gemälde wirkenden Ryoan-ji, weist der Garten des Daisen-in auf beeindruckende Weise symbolische Bedeutung auf. Sie kann in der Anlegung direkter gelesen werden. So fließt der trockene „Wasserlauf“ vom Horai-Berg herab, der durch beschnittene Kamelienbäumchen symbolisiert wird.

Der Karpfenstein und die Drachentorsituation (s.Abb. sind ebenso vorhanden. Der „Wasserlauf“ teilt sich in zwei Ströme, der eine führt an zwei Steininseln vorbei in den Nordgarten, den chukai. Dieser enthält eine triadische Steinsetzung auf einer freien Kiesfläche. Der andere Teil des „Wasserlaufes“ fließt über Steine und einen Damm hinweg in den Südgarten. Dieser besteht aus einer großen L-förmigen Sandfläche, in deren Ecke ein einziger Bodhi-Baum (27) steht, und in deren Mitte sich zwei auf­geschüttete Sandkegel befinden. Unter den Steinen befindet sich auch ein sogenannter Schatzschiffstein. Dieser soll zusammen mit dem dem Horai-Berg zugewandten Schildkrötenstein den wachsenden Erfahrungsschatz während des Erwachsenwerdens und den vergeblichen Versuch der Rückkehr zur Jugend darstellen. Die Steine im „Wasserverlauf des Lebens“ stehen für die Hindernisse, die im Laufe des Lebens zu meistern sind.

roji – Teegarten
Momoyama-Zeit [1574-1603]

Ende des 16. Jahrhunderts etablierte sich in Japan eine neue Tradition. Teekultur wurde von je her hoch geschätzt und erfuhr in ihrer damaligen Neubelebung eine hochstilisierte in die Gesellschaft eingebundene Form. Mit der Entwicklung des wabi-cha (28) durch den Mönch Murata Shuko (29) war diese Entwicklung losgetreten und durch den Tee-Meister Takeno Joo (30), der der kaufmännischen Schicht entstammte, innerhalb kurzer Zeit fest mit Zen-Buddhismus und der bürgerlichen Kaufmannsklasse verbunden. Neu war jedoch nicht das rituelle Tee-Trinken an sich, sondern die Zeremonie und die Umgebung, die hierfür in dieser Zeit geschaffen wurde. Der Leitspruch, „dass Zen und Tee eins sind“, führte dazu, dass das Tee-Ritual aus seiner pompösen Ausführung in den shoin der Samurai und Daimyo-Fürsten (s.Abb.22) herausgelöst wurde und in stilisierten kleinen Eremitenhütten durchgeführt wurde. Diese bäuerlich anmutenden so-an (31) wurden vermehrt von reichen Kaufmännern in die Gärten ihrer engen Stadthäuser gebaut, um dort die Tee-Zeremonie abzuhalten. Nach der Verbreitung der Lehre des wabi, der „Schlichtheit“ durch Sen no Rikyu (32), folgte unter dem Tee-Meister Furuta Oribe (33) die Einführung von suki, dem „Hauch von Erhabenheit“ und, wichtiger noch, die Umwandlung des Roji, „Taugrundes“ vom Durchgang zum cha-niwa, dem „Tee-Garten“.
Das Wort roji steht nicht nur für „Weg“ oder „Durchgang“, sondern wird auch als Terminus technicus der buddhistischen Diskussion verwendet, wo er soviel wie „Freier Raum“ bedeutet. Gemeint ist hiermit der Zustand des Geistes, wenn sich dieser von allem weltlichen Leid und Unreinheit befreit hat.

Folglich soll das Durchschreiten des Roji dazu führen, dass der Durchschreitende sich seiner Selbst und jeder seiner Aktivitäten bewusst wird, so dass er seinen Geist befreit und sich auf die Tee-Zeremonie vorbereitet, die helfen soll, zur Erleuchtung zu finden. Der Teegarten ist denn auch so aufgebaut, dass das Durchschreiten gezielt gelenkt wird. Es werden keine auffälligen Pflanzen verwendet, sondern vornehmlich immergrüne Gewächse, das Ewige repräsentierend. Die angelegten Landschaften gehen sanft ineinander über, der Blick wird sorgfältig gelenkt, so dass man den Garten in seinen schönsten Ansichten erfährt. Dies wird durch die tobi-ishi (s.Abb.Lexikon Teil 1), die Schrittsteine erreicht, die nicht nur den Garten mit seiner feinen Moosschicht schützen sollen, sondern auch den Schritt verlangsamen und den Blick führen. Der typische Teegarten ist auf relativ kleiner Fläche angelegt und in sich abgeschlossen. Man betritt ihn durch das roji-mon, ein schmales Eingangstor, das in den äußeren Garten führt. Dahinter befindet sich das soto-koshikake (s.Abb.23), das äußere Wartehäuschen, in dem die Besucher Platz nehmen, bis sie vom Gastgeber dort abgeholt werden. Im äußeren Garten befinden sich ebenfalls ein tsukubai (34), die shitabara setchin (35) und eine chiri-ana (36), wobei letztere vor allem symbolischen Charakter besitzt. Vor einer Tee-Zeremonie wird sie mit Laub und Gras gefüllt und soll den Besuchern vermitteln, ihre unreinen Gefühle und Gedanken zurückzulassen. Eine weitere chiri-ana befindet sich direkt neben dem Eingang zur so-an. Vom äußeren Wartehäuschen aus führt eine Reihe tobi-ishi zum naka-kuguri, dem mittleren Durchkrabbeltor, das nur eine Öffnung von etwa 60 auf 60 Zentimetern aufweist, und daher gebeugt durchklettert werden muss. Dies hat verschiedene Bedeutungen. Zum einen schafft das Beugen eine gesellschaftliche Gleichstellung zwischen Gast und Gastgeber, zum anderen musste zum Durchsteigen das Schwert abgelegt werden, was eine weiteres Aufgeben von Standesmerkmalen bedeutete.
Hinter dem naka-kuguri (s.Abb.24 u.25) liegt der mittlere Garten, hier finden sich einige Lampen und zumeist ein Brunnen, der die Wichtigkeit von Wasser für das Tee-Ritual verdeutlichen soll. Durch das baiken-mon, einem weiteren Tor, gelangt man zum inneren Teegarten. Hier steht das uchi-koshikake, das innere Wärtehäuschen, wohin man sich auch während der Pausen der Zeremonie, die etwa 4 Stunden dauert, zurückzieht. Hier befindet sich ebenfalls eine dekorative Toilette, die suna oder kazari setchin. Durch ein weiteres „Krabbel“tor, das nijiri-guchi, gelangt man dann ins Innere der Teelaube. Diese ist meist mit einer Bildrolle und einem Blumengesteck geschmückt, verfügt jedoch nicht über Fenster. Die Teelaube stellt somit den innersten und heiligsten Ort des Teegartens dar.
Das Teehaus hat, ebenso wie der Teegarten auf die Gartenkunst Japans, enormen Einfluss auf die architektonische Entwicklung in Japan genommen. Die neue Architektur des Teehauses nannte man sukiya-Architektur (37). Nachdem sich der sukiya- Stil von den Traditionen der shinden-zukuri und shoin-Architektur befreit hatte, wurde er zu einem der weitverbreitetsten Stile in Japan. Bald bezeichnete sukiya jedes Gebäude, das Elemente dieses Stiles aufwies.
Bei dieser Art von Architektursprache im Teegarten wird auf sensible Weise mit Raumwahrnehmung gespielt. Durch das Winden der Wege, das Verdichten der Bepflanzung, durch kleine verwinkelte Tore und Türchen, durch die man hindurchkriechen muss, und das sich dann anschließende Öffnen des Raumes erziehlt einen Effekt, der den Betrachter den Raum größer empfinden lässt als er tatsächlich ist. (s.Abb.26)

In den Wandelgärten der Edo-Zeit (38) treten die Teehäuser hauptsächlich in zwei Stilen auf. Der so-an der sukiya-Architektur mit einem kleinen rustikalen abgelegenen Garten oder im Stil der shoin- Architektur, dann meist am Teichufer oder an einem Bach gelegen. Aus ihnen betrachtet sich der Garten geradezu wie ein gerahmtes Gemälde, dem eigentlichen Stilelement, das den fließenden Übergang zwischen Haus und Natur bildet (s.Abb.27).
Als besonders schönes und gelungenes Beispiel für die sukiya-Architektur und die Teekultur ansich kann hier die Gartenanlage des kaiserlichen Katsura-Palastes (s.Abb.28 u. 29) erwähnt werden, die zwischen 1616 und 1660 im Auftrag vom Prinzen Hachijo no Miya Toshihito sowie seinem Sohn Noritada in mehreren Etappen errichtet wurde. Die Anlage liegt am Westufer des Flusses Katsura in Kyoto und war ursprünglich nur mit dem Boot erreichbar. Die aus drei shoin und vier weiteren kleinen Teelauben gestaffelte Gesamtanlage ist so arrangiert, dass sie sich einem Pfad folgend auf harmonische Weise in den groß angelegten Teichgarten einfügt. In der Dimension entspricht der Gesamtkomplex den Gärten der Heian-Zeit.
In Hinsicht auf Raffinesse und der sich in ihr bis ins kleinste Detail wiederspiegelnde Hang zur Vollkommenheit gilt in diesem Gesamtensemble als unübertroffene Komposition. Es heißt, in ihr „atmet der Geist des Tees“.
Der Besucher wird auf dem bereits beschriebenen roji durch den Garten geführt. Dabei eröffnen sich ihm immer neue Blicke auf die Teelauben und andere besonders schöne Panoramen. Somit wurde diese Gartenanlage zum Vorbild für die großen Wandelgärten der Edo-Zeit, den kaiyu.

kaiyu – Wandelgarten
Edo Zeit [1603-1868]

Der Wandelgarten der Edo-Zeit ist streng genommen kein neuer Gartentyp, da er keine neuen Elemente oder Formen in die Gartengestaltung mit einbringt. Er kombiniert lediglich die althergebrachten Formen und Elemente miteinander. Dies geschieht jedoch auf so prägnante Weise, dass wieder von einer eigenen Form gesprochen werden kann – sie wird ausgebildet durch Teiche, Inseln, künstliche Berge, Flussläufe und Wasserfälle der Heian-Zeit; die Fußpfade um die Teiche und an den Hügeln der großen Wandelgärten der Kamakura und Muromachi-Zeit; den Blick auf den Garten von Tempel- oder Palastgebäuden aus und letztendlich die Teegartenelemente der Momoyama-Zeit.
Ebenso werden die beschnittenen Bäume und Sträucher, die Kunst des
o-karikomi (s.Abb.30) , die in der Momoyama-Zeit besonders gern mit den kare-sansui-teien verbunden wurde, in die Landschaft integriert. Bei den Gärten dieser Zeit ist zu beobachten, dass eine Vorliebe für besonders schöne und große Steine vorgeherrscht haben muss. In dieser Phase begann man demnach, auch hochwachsende Sträucher so zu setzen und zu beschneiden, dass sie in der Gesamtkomposition die Steinsetzungen ersetzen konnten und sogar den Horai-Berg ansich.
Das hervorstechenste Merkmal dieser Wandelgärten jedoch ist das Einbeziehen von meisho (39) in den Garten. Wie an einem roten Faden führen die Pfade den Betrachter durch den Garten; vorbei an den verschiedenen nachgestellten meisho. Diese Sehenswürdigkeiten, bspw. berühmte Landschaften oder Naturschönheiten wie der Berg Fuji, werden ikonenhaft abgebildet; als verkleinerte Repliken der Originale.
Symbolischer Charakter fällt fast komplett heraus.
Das Verhältnis zu Natur und Gartenkunst folgte Fragen der Ästhetik, denen der spektakulären Landschaften und schönen Aussichten, des modischen Geschmacks und der Repräsentation.
Der Garten in seiner Funktion mag geradezu wie eine Bühne gewirkt haben, in der man verspielt und artistisch gekonnt die allerneusten Requisiten der Gartenmode zur Schau stellte.
Die Form verinnerlichter Ästhetik verlor zunehmend an Bedeutung. Die expressive Kraft der Sprache der Gartengestaltung, in der die Natur ihrem inneren Wesen und Gesetzmäßigkeit nach beschrieben werden sollte, verlor an Intensität oder gar Authentizität. Der Garten war nicht mehr Verortung kosmisch-mythologischer Botschaften.
Dies kann auch als ein Resultat dessen gesehen werden, dass im Zuge einer sich ausbreitenden Popularität der Teezeremonie die eigentliche Tiefe in Verbindung mit zen-buddhistischem Ideal in der zunehmend von Geld beherrschten Gesellschafts- struktur verloren ging.
Vor diesem Hintergrund muss also bei der Gartengestaltung dieser Zeit auch das politische System und die gesellschaftliche Struktur näher betrachtet werden.
Die Edo-Zeit ist gekennzeichnet von außenpolitischer Abschottung und der Konsolidierung innerer Machtstrukturen. Die in dieser Zeit herrschenden Tokugawa- Shogune betrieben eine auf neo-konfuzianischer Ethik basierende Politik, in der die sozialen Strukturen in ihrer Hierarchisierung ideologisch begründet werden konnten.
Die Verhältnisse erstarrten, doch immerhin kam es zu einer 250-jährigen Friedensperiode im Land, die im Wesentlichen auf einem Gesetz beruhte, das die mächtigen Daimyo-Territorial-Fürsten und Kriegsherren dazu verpflichtete, mindestens die Hälfte eines jeden Jahres in Edo zu verbringen und bei Abwesenheit die eigene Familie in der Stadt zu lassen.

Dieses sogenannte sakin-kotai-Gesetz, dem „Gesetz der abwechselnden Anwesenheitspflicht“ war ein geschickter Schachzug, der die Vormachtstellung der Tokugawa gegen mögliche politische Intrigen der Daimyo sicherte. Die Daimyo waren somit gezwungen, eine oder mehrere Residenzen in Edo zu unterhalten, was sie finanziell und machtpolitisch schwächte.
Hierin gründen denn auch die großen Wandelgärten, die die Daimyo an ihren Palästen anlegen ließen. Sie dienten somit selbstverständlich auch der Repräsentation und Selbstinszenierung.
Diese kaiyu-teien spielen für die Fragestellung eine wesentliche Rolle, welchen Entwicklungen der Garten in Japan in der dann folgenden Zeit bis in die Moderne unterworfen war und ist. Diese Gartenform bildet den Übergang nicht nur deswegen, weil sie bis in die Zeit des Untergangs der Feudalherrschaft zu Beginn der Meiji-Zeit (40) fällt, während der sich Japan kulturell dem Westen öffnete und sich zunehmend mit dieser Kultur beschäftigte, sondern auch deswegen, weil das ursprüngliche Wesen der Gartenbaukunst aufgrund der eigentlichen Zweckbestimmung dieses Typs nicht mehr in ihm ruhte.
In dieser Phase säkularisierter Gartenmode begannen auch aufsteigende Gesellschaftsklassen in den Städten, sich Gärten anzulegen, so wie bspw. die chonin, reiche Kaufleute. Diese Entwicklung hatte zur Folge, dass immer mehr der sogenannten niwa-shi, „Garten-Meister“ zur Umsetzung von Gärten benötigt wurden. Die tatsächliche Anzahl dieser Leute konnte solch einer Nachfrage jedoch nicht nachkommen. Es musste zu einer Art schematisierten Vereinfachung kommen.

kleine Privatgärten

konnten die alten Meister auf einige wenige wahre Bücher der Gartenbaukunst zurückgreifen, wie bspw. das sakutei-ki, erfreuten sich seit Mitte der Edo-Zeit in großer Auflage herausgebrachte Handbücher als Anleitung zum Gartenbau zunehmender Beliebtheit. Im Zuge dieser neuen Ästhetik „erster urbaner Massenkultur“ entstanden nun viele „do-it-yourself-Gärten“, schematisierte Standardgärten (s.Abb.32), die den kreativen Prozess künstlerischer Gestaltung im Gartenbau auf vereinfachte Strickmuster reduzierten. Diese Entwicklung hielt sich bis in die Moderne.
Somit spielt dieser Prozess für die Fragestellung moderner Entwicklung und des westlichen Einflusses eine Rolle.

tsubo-niwa – Binnenhofgarten

Die Besonderheit der chinesischen Hofhäuser führte zur Entwicklung des Binnengartens. In Japan war dessen nachfolgende Miniaturisierung folgliche Konsequenz. Tsubo (41), ein altes japanisches Flächenmaß ist der Namensgeber für diese Gartenform. Obwohl viele der tsubo-niwa größer sind, ist die traditionelle Bezeichnung geblieben.
Bereits in der shinden-zukuri (42) ist der tsubo-niwa erwähnt. Im Flechtwerk an der Nordseite des Shinden befindlich, wurden diese kleinen Binnenhöfe oft mit einem bestimmten Thema gestaltet und nach dem Namen der Hofdamen benannt, deren Gemächer Ausblick auf den Hof gestatteten.

Im traditionellen japanischen Haus befand sich dieser Hofgarten zwischen den öffentlichen und privaten Räumen. Die Gestaltung der tsubo-niwa greift oftmals die klassischen Elemente der anderen Gartentypen wieder auf.
So kann ein Garten als Teichgarten mit Trittsteinen und Wasserbecken angelegt werden, oder auch als Trockenlandschaftsgarten ausgerichtet sein; leicht oder stark bepflanzt, muss der Hof nicht einmal begehbar sein. Meist werden jedoch die Elemente des roji verwendet, Wasserschöpfbecken, Laternen und kleine Pfade.
Immer werden die tsubo-niwa jedoch sehr schlicht gehalten, ganz dem Ideal „Weniger ist mehr“ entsprechend.

In der heutigen Zeit werden die Hofgärten zu verschiedenen Zwecken verwendet. So können sie zum einen gerade in dicht besiedelten Gebieten dazu dienen, bei minimaler Fensteranzahl nach außen, die Belichtung des Hauses zu gewährleisten. Andererseits fungiert er für die Bewohner als Refugium vor dem Alltag.

Typisch ist auch, dass viele der Hofgärten keine fixe Hauptbepflanzung erhalten. Meist nur mit sehr schlichter Grundbepflanzung versehen, wird er
jeweils den Jahreszeiten entsprechend mit Kübelpflanzen ergänzt und erweitert (s.Abb.33-36).

Zwei moderne Beispiele sollen die Spielart dieses Typen näher beschreiben:

Tsubo-niwa in Ichikawa, Tokyo; Entwurf: Michimasa Kawaguchi
(s.Abb.37 u. 38)

Bei diesem Haus ist die Lage in einem engen Block mit großer Nähe zu zwei Hauptverkehrsstraßen Grund für die Entscheidung, die Fensterfläche nach außen zu minimieren. Das Licht wird durch den kleinen Innenhof ins Haus geleitet. Kawaguchi, der Architekt, entschloss sich, statt weißer Wände, die den größten Reflexionsgrad haben, für Grautöne in den Abstufungen von sumi (43). Diese lassen den Garten mit seinen gedämpften Grüntönen harmonischer wirken als der harte Kontrast gegen das Weiß. Um diesen Verlust an Licht zu kompensieren, werden die öffentlichen Räume, Wohnzimmer, Esszimmer und Küche in der helleren oberen Etage angeordnet. Dies zeigt, welch große Stellung die Gestaltung des Gartens auch heute noch auf die Raumaufteilung besitzt. Der Garten verfügt kaum über permanente Bepflanzung, der Vorliebe des Bewohners entsprechend, werden die Pflanzen in Kübeln gehalten.

„M-Haus“ in Shibuya, Tokio; Entwurf: Kazuyo Sejima & Ryue Nishizawa
(s.Abb.39)

Dem Wunsch des in der Musikindustrie tätigen Bauherrn, über einen Raum für Parties und Veranstaltungen zu verfügen, wird von den Architekten mit Hilfe eines durch die gesamte Tiefe des Gebäudes gehenden Innenhofes entsprochen. Dieser Innenhof von etwa zehn auf drei Metern ist mit semitransparenten Glaswänden umkleidet, wodurch die Belichtung der angeschlossenen Räume gewährleistet wird. Gleichzeitig dringt bei abendlicher Innenbeleuchtung der Innenraum in den Hof. Die Belichtung des Hofes wird über Stahllamellen an der oberen Öffnung gelöst, die bei gleichzeitig maximalem Lichteinfall einen Sichtschutz vor den Nachbarn bieten. Am Ende des Hofes steht ein einzelner Baum, ein hanamizuki (44), der durch den hölzernen Fußboden in den Raum tritt. Die weichen Formen des Baumes dämpfen das Zusammenspiel horizontaler und vertikaler Linien.

4. Miniaturabbild der Natur

Die Japanische Gartengestaltung zielte seit jeher auf ein ganzheitliches Abbild der Natur und des Kosmos ab. Die schroffe, wilde Natur Japans diente den Gestaltern als Vorbild für ihre Werke.
Inseln und Brandungen, geharkter Sand [hokime] und Kiesflächen,Steine, Teiche, Rasenflächen, Büsche - alles Materialien und Elemente, die in ihrem Einsatz zu einem Ganzen geformt werden. Letztlich bilden sie das Grundgerüst einer ganz eigenen kleinen Welt, die sehr deutlich ein spezifisches Bedürfnis japanischen Gefühls zur Natur widerspiegeln. Sehr prägnant dabei ist die Liebe zum Kleinen (s.Abb. 40).
Das Überschaubare, mit Aufwand zu Umhegende und Pflegende scheint der „japanischen Seele“ sehr zu entsprechen. Der kleine geschaffene Mikrokosmos, der im Gegensatz zur unbändigen Naturgewalt „dort draußen“ in seiner Ganzheitlichkeit auch noch kontrollierbar bleibt, hat somit sehr eigene Formen der Miniaturisierung der Umwelt angenommen. Um Vollständigkeit und auch hier um eine Idealform bemüht, werden „im Topf“ kleine Landschaften angelegt, Bäumchen mit großem Aufwand gebunden, gegängelt, verknotet und beschnitten, so dass eine geradezu eigene Wissenschaft darum entstand, die [zur Verdeutlichung dessen] über 500 verschiedene Werkzeuge hervorgebracht hat.
Diese Kunst des bonseki (45) kam ungefähr vor Beginn der Edo-Zeit auf und hat sich bis zum heutigen Tag zu einer hochgeachteten Tradition entwickelt. Einige Bonsai werden bereits über 300 Jahre in ihrer Form gezüchtet und innerhalb der Familie von Generation zu Generation weitergegeben; Erbstücke von unschätzbarem Wert für die Familien (s.Abb. 41 u .42).
Darüberhinaus lassen sich diese verkleinerten Naturnachbildungen ideal in das Wohnraumgefüge integrieren, das in Japan bekanntermaßen immer knapper wird.
Bonseki kann somit als eine Miniaturisierung der Miniaturisierung gesehen werden. Aus dem Mikrokosmos des Gartens wird wiederum ein Teil herausgelöst und verkleinert.

5. Pocket Parks (46)

Entgegen den großen städtischen Parkanlagen sowie Freizeit- und Erholungsparks, dient dieser Gartentyp der Nischennutzung. Im Zuge des Machizukuri (47) fanden sich bei der Neuordnung einzelner Quartiere auch in dichtbesiedelten Bezirken oftmals noch kleine Freiflächen, die von den Bewohnern des Quartiers auch ohne Unterstützung der Stadt zu kleinsten Gärten, den sogenannten Pocket Parks gestaltet werden.
Diese Parks bestehen teilweise aus winzigen Unterständen, in denen zwei oder drei Kübelpflanzen und beispielsweise ein Wasserschöpfbecken stehen, dazu eine Bank zum Verweilen. Es gibt auch Beispiele von größeren Pocket parks (s.Abb. 47), mit Brunnen und Wasserspiel angelegt (s.Abb. 48), worin jedoch vor allem auch die finanzielle Situation der einzelnen Quartiere deutlich wird.

6. Beispiele moderner Gartengestaltung

Um die unterschiedlichen Ausprägungen der modernen Gartengestaltung in Japan zu verdeutlichen, werden wir im Folgenden vier moderne Gärten vorstellen, die in ihrer Konzeption höchst unterschiedlich sind. Die ersten beiden versuchen, traditionelle Gedanken und Herangehensweisen auf moderne Weise umzusetzen, die anderen schaffen mit der Ästethik der Gartenbausprache Texturen und Skulpturen, bei denen man sich fragen kann, ob hier noch von Garten gesprochen werden kann.

„Garten ins Haus geholt“ – Entwurf: Suiko Nagakura

Die Verbindung von Haus und Garten ist eines der augenfälligsten Merkmale japanischer Wohntradition. Sind die Gleitwände, bzw. die shoji- Schiebetüren eines Raumes geöffnet, fließt der Garten in ihn hinein (s.Abb. 49). Dieses Prinzip des Verwischens der Trennlinien, des Hauses und der Natur, zwischen Drinnen und Draußen, wird bei diesem Entwurf sogar noch ein Stück weitergetrieben, indem der Garten sogar physisch in den Zwischenbereich eindringt. Der eigentliche Wohnbereich liegt jedoch immer noch etwas erhöht.
Dieser Ansatz ist im 1995 errichteten Haus der Keramiker in Suiko Nagakura mit einer Deutlichkeit umgesetzt worden, die schon ungewöhnlich scheint.
Das Speisezimmer befindet sich in einem Raum, der mit seinem von Moosen und Pflanzen bewachsenen Boden gleich Garten ist. Die Tischbeine versinken teilweise im Farm, und ein erdener Korridor zieht sich innen an der Fensterseite entlang (s.Abb. 50).
Anfangs nur als doma (48) gedacht, zogen mit der Zeit Pflanzen in den Raum. Als Nagakura feststellte, wie gut sich diese wilden Pflanzen mit ihrer Keramikarbeit verband, platzierte sie eine Reihe von Werken zwischen den Pflanzen im Speisezimmer, das jetzt auch als Austellungsraum dient.

„Modernes shakkei “ – Entwurf: Tetsuo Goto, Amon Miyamoto

Shakkei, die „geborgte Landschaft“ oder der „geborgte Ausblick“ bildet bei diesem Garten das vorherrschende Gestaltungprinzip. Miyamoto, ein bekannter Theater- und Filmregisseur, hatte das Küstengrundstück am Rande einer felsigen Bucht auf der südlichen Insel Okinawa aufgrund seines Ausblicks auf die von den Gezeiten geprägte Bucht erstanden. Das Haus, das zum Schutz vor Taifunstürmen etwas erhöht in den Hang gesetzt ist, öffnet sich vom großen Wohnbereich durch eine breite rechteckige Türöffnung auf ein Holzdeck, dessen Seiten verlängert und von zwei Fiederpalmen rechts und links gerahmt wird. In der Mitte zwischen den verlängerten Seiten bleibt der Blick auf einen Felsen frei, dessen Größe von ca. 5m man nur vom Rand des Decks einschätzen kann. Durch die Wirkung von Ebbe und Flut und den ständig wechselnden Lichtverhältnissen ergibt sich hier ein ständig neuer Anblick. Das Deck wird außerdem zur Aufführung kleiner Theaterstücke genutzt (s.Abb. 51u. 52).
Die zweite Anwendung des shakkei findet sich im Teeraum des Gebäudes. Die tokonoma enthält hier nicht die traditionelle Bildrolle, sondern ein schmales Fenster, das einen Ausschnitt der Bucht zeigt, dabei ist sorgfältig darauf geachtet, dass der Felsen im Vordergrund nur angeschnitten wird, wie es der Malerei der Bildrollen entspricht. Dieses moderne sich ständig wandelnde Gemälde wird unterstützt durch die Übersetzung des traditionellen Blumengestecks. Dies ist hier durch eine mit Wasser gefüllte Mulde in einem lackierten Sims erreicht, in der ein einziges Lotusblatt schwimmt (s.Abb.53 u. 54).

„Glas und Wasser“ – Entwurf: Kengo Kuma

Das 1998 erbeute „Wasser/Glas-Haus“ hatte in seiner Konzeption zum Ziel, Transparenz und Reflexion aus der Verbindung von Wasser und Glas entstehen zu lassen. Die Lage mit 270° Blick über die Bucht des Badeortes Atami, inspirierte Kuma dazu, im dritten Obergeschoss der Villa ein auskragendes Granitbecken zu errichten, dessen über den Rand fließendes Wasser dafür sorgt, dass sich die spiegelnde Oberfläche mit dem Ozean zu einer Fläche verbindet (s.Abb. 55). Im Untergeschoss legte er ebenfalls ein großes hauptsächlich rechtwinkliges Innenbecken an, das vom mit Tatami-Matten ausgelegten und von Glaswänden umgebenen Gästeraum sichtbar ist. Dieses schafft eine Verbindung zum Außenraum. Das Becken sollte ein gläsernes Kunstwerk enthalten, das in Form künstlicher Steinen aus optischem Glas verwirklicht wurde, erschaffen vom Glaskünstler Tomohiro Kano. Diese gläsernen Steine harmonisieren durch ihre natürlichen Linien mit den geometrischen Formen des Beckens und schaffen durch ihre Reflexionen des Sonnenlichtes interessante Muster, die mit den strengen Formen des Gebäudes spielen (s.Abb.56).
Die Anlage nimmt deutlich Bezug auf den Ausdruck traditioneller Zen-Gärten. Die natürlichen Formen der Glassteine stehen im Kontrast zu den von Menschenhand geschaffenen. Streng geometrische Linien der umschließenden Mauern „rahmen“ die gläserne Skulptur.

„Cool Garden“ – Entwurf: Murai Hiroshi

In diesem abstrakten Entwurf vom Hiroshi für den Innenhof des Verwaltungs­gebäudes der Longchamp Textile Company in Kyoto werden zwei getrocknete mit Silberfarbe besprühte Bäume zu skulpturartigen Elementen (s.Abb. 57). Der Hof, komplett mit weißem Marmor verkleidet, besitzt sonst keine weiteren Blickfänge. Durch eine Glasscheibe hindurch kann vom Erdgeschoß in den Hof gesehen werden, sowie von den Verwaltungsetage darüber. Schlichtheit und Abstraktion scheinen hier absolutes Kriterium gewesen zu sein. Die Natur jedenfalls hat es nur in konservierter, geradezu steriler Form geschafft, in diesen Garten Einzug zu halten. Die formende Hand des Gestalters ist hier deutlich zu sehen.

7. Ausblick

Überblick, Ausblick und Diskusion, Situation

Betrachtet man die Entwicklungsgeschichte der verschiedenen Gartentypen, die die japanische Gartenbaukunst im Laufe der Zeit hervorgebracht hat, muss immer von einer langsam sich entwickelnden Form ausgegangen werden.
Der jeweilige Zeitgeist einer Epoche beeinflusste und bevorzugte jeweils bestimmte Gestaltungstypologien und somit Gartenprototypen, die maßgebend einen Zeitabschnitt prägten. Trotzdem wurde die Tradition vorhergehender Gartenformen ebenfalls gepflegt, man integrierte immer auch einen Teil aus anderen Stadien oder Epochen stammender Elemente. Wie auch immer eine Gartenanlage konzipiert sein mochte, die Kunst des symbolischen Umgangs mit dem Setzen der Steine und der Bedeutung des Steins an sich, dem Verlauf des Wassers und seiner Bedeutung, sowie Berge und Inseln waren stets wesentlicher Bestandteil im Umgang mit der Gestaltung.
Entscheidend dafür waren vor allem die Auftraggeber und ihre Wünsche; für welchen Zweck der Garten ausgerichtet sein sollte. Nicht zuletzt bedingte der Geldbeutel des Bauherrn die Gesamtkonzeption. Dieser Umstand hat sich bis in unsere Moderne nicht verändert.
Als Beispiel für die Kontinuität von Gestaltungselementen sind die bereits beschriebenen Gärten der Edo-Zeit kennzeichnend, wenn die Elemente auch in einem verflachten Kontext standen. Man setzte traditionelle Elemente integrativ in ein neues Prinzip der Raumaufteilung.
Nahmen diese zu Parkanlagen umfunktionierten Gärten im Gegensatz zu den kleinen Privatgärten, auch westliche Gestaltungsideen mit auf, traf auch sie die allgemeine Stagnation in der Gestaltungsentwicklung. Es dauerte einige Zeit, bis es zu einem Wendepunkt kam, man aus dem bloßen stereotypen Wiederholen traditioneller Vorbilder ausbrach und zu neuen Formen des Ausdrucks fand; sei es mittels eines kreativen Umgangs mit der Tradition oder eines völlig neuen Gestaltungsansatzes, der in seiner Konzeption den Willen des Gestalters und die Wünsche des Bauherrn widerspiegelte.
Dieser Wandel setzte nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Japan entwickelte sich im Verlauf der folgenden Jahrzehnte zu einer der größten Industrienationen. Der Großteil der Industrie musste seinen Standort jedoch in unmittelbarer Nähe der Stadt beibehalten. Die ohnehin ansteigende Verdichtung der Stadtstrukturen im Entwicklungsprozess der Industrialisierung hatte im „kleinen Japan“ noch extremere Auswirkungen auf den Lebensraum zur Folge.
Privater Lebensraum im modernen Japan scheint vor allem eine Frage des Luxus zu sein, wie man es sich in Europa nur schwer vorstellen kann.
Das in unseren Gefilden bekannte Motto „Zeit ist Geld“ wäre in Japan wohl mit dem Wortlaut ummodelbar: „Raum ist Geld“. Nur wenigen sehr reichen Privatpersonen bleibt es noch vorbehalten, sich einen Privatgarten anlegen zu können.
Die Architektur des Gartens, seines urbanen Umfeldes und des Bezugs zueinander erfuhr somit wesentliche Veränderungen. Ein neuer Prototyp entstand, der seinen Platz vor Amts- und Bürogebäuden, vor öffentlichen Gebäuden, Einrichtungen und Plätzen fand, ja sogar in oder auf Gebäudekomplexen (s.Abb. 58-60).
Ausdruck und Komposition seiner Elemente werden in einen neuen Kontext gestellt. Nicht mehr niwa-shi, Gartenmeister, sind für die Anlegung verantwortlich, sondern Künstler, Architekten und Landschaftsplaner, die in in ihren Werken individuellen Gestaltungswillen verwirklicht sehen wollen. Dabei wird offensichtlich, inwiefern die Entwurfskonzepte vom internationalen Austausch geprägt werden.
So bildet sich aus dem „Urtyp Garten“ eine Art begehbare Skulptur, die in ihrer Abstraktion mit traditionellen sowie Elementen westlichen Gedankenguts spielt. Geometrisches und Rechter Winkel stehen den vom Gestalter Geformten gegenüber, oder anders herum.
In der Gesamtheit stehen die Entwürfe trotzdem in der japanischen Tradition. Der Stein bspw. zählt immer noch zu einem der wesentlichen Gestaltungselemente. Plastisch bearbeitet, belassen in schroffer Natürlichkeit oder gar abstrahiert in ein anderes Material übertragen, bildet er eine neue Einheit und Symbiose zu seiner ihn umgebenden modernen Architektur. In gleicher Weise verhält es sich mit anderen ursprünglichen Elementen des Gartens. Dabei finden zunehmend auch bisher nicht in der Gartenkunst eingesetzte synthetische Materialien und Rohstoffe Verwendung, Produkte unserer modernen Industriegesellschaft. Hierin kann man eine Weiterentwicklung eines ursprünglichen Prinzips sehen. Verarbeitet man einen Rohstoff zu einem neuen Material, wird die in ihm enthaltene Information zum Ausdruck gebracht, sozusagen ein Teil sein Wesens kenntlich gemacht. Fossile Rohstoffressourcen sind dafür ein gutes Beispiel, einmal ganz abgesehen von der damit einhergehenden Umweltproblematik.
Es könnte der Eindruck entstehen, mit zunehmender Individualisierung der Gesellschaft fände nur noch ein bloßes Applikationsspiel mit Elementen traditioneller Gärten im Zusammenhang mit ihrer ursprünglichen Wesensart statt. Aber eine solche Sichtweise kann bei dem Versuch objetiver Beurteilung moderner Gartengestaltung und Architektur als Spiegelbild der Gesellschaft nur als sehr kurzsichtig eingestuft werden.
Globalisierung und interkultureller Austausch haben in logischer Konsequenz Prozesse zur Folge, die die Entwicklungsstruktur eines Menschen wesentlich beeinflussen. Die menschliche Persönlichkeit droht im Chaos dieser Strukturen unterzugehen, bereits zu Lebzeiten jegliche Spur zu verlieren.
Dabei ist mit zunehmender Urbanisierung und der damit einhergehenden Anonymität in unseren modernen Industriegesellschaften die Tendenz festzustellen, Persönlichkeit mit Individualität entwickeln zu wollen. Ob dies gelingt oder dieser Umstand sich letztlich nur in einer anderen Art von Konformität fortsetzt, sei an dieser Stelle erst einmal dahingestellt.
Beziehen wir uns jedoch auf den erwähnten objektiven Bewertungsansatz, ist klar, dass sich Gestaltung im Allgemeinen stets mit der Zeit „bewegen“ muss.
D.h. wenn man Gestaltung als einen kreativen Prozess versteht, der ein Produkt als Resultat hervorbringt, das bestimmte Informationen in sich trägt, beinhaltet das Werk gleichzeitig die Auseinandersetzung des Gestaltenden mit seiner Umwelt und Gesellschaft oder zumindest deren Einfluss.
In diesem Sinne ist es notwendig, Gartenarchitektur in einer Sprache zu formulieren, die mit der fortschreitenden Entwicklung der Gesellschaftsstruktur kommunizieren kann. Deswegen wäre es unsinnig, strikt auf traditionelle Form- und Funktionsmuster zu beharren, die individuelle Vorstellungen und Wünsche möglicherweise außer Acht lassen. Die Funktion einer solchen Anlage wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt, gerade dann ein in sich leeres Applikationsspiel der Tradition ohne Bedeutung und Aussage.
Trotzdem gibt es innerhalb des fortschreitenden Strukturwandels Elemente und Gestaltungsschemata in der Gartenarchitektur, die in ihrer Beständigkeit niemals an Aktualität verlieren und immer wieder mit in die Komposition einbezogen werden.
Sie bilden Ordnungen und gliedern den Raum in klare Strukturen. Sie ermöglichen es dem Menschen, Abstand zu nehmen und abzuschalten vom steigenden Druck gesellschaftlicher Zwänge und Dichte. Der Garten führt als künstlich geschaffenes Bindeglied zur Natur den Menschen zu seinem Ursprung. Er kommt somit bestimmten Grundbedürfnissen nach, die immer wesentlicher Bestandteil seelischen Ausgleichs sein werden.
Deswegen wird auch in moderner Gartenkomposition die Tradition immer Teil des Ganzen sein. Die mit klarer Schlichtheit und Reinheit formulierte Sprache der Tempelgärten beispielsweise zeigt mit ihrer Abstraktionsfähigkeit eine solche in sich ruhende Beständigkeit auf, dass sie mit „ihrer Grammatik“ dem Ewigen nahekommt. Moderne Konzeption kann aus dieser ewigen Quelle auch heute noch schöpfen und Inspiration aus ihr ziehen, in Aufträge mit einbeziehen, sofern dies dem Berdürfnis des Bauherrn entspricht.

8. Situation/Fazit

Trotz der fortschreitenden Säkularisierung der japanischen Industriegesellschaft bleibt die Gartenbaukunst und Gestaltung demnach ein fester Bestandteil ihrer Kultur. Es handelt sich um Privatgärten, die auf individuelle Bedürfnisse angepasst sind und oder Repräsentation einer bestimmten Haltung sein sollen.
Reiche Privatleute, Firmen, Konzerne oder andere Institutionen sind dabei die eigentlichen Auftraggeber, so, wie es zu früheren Zeiten ebenfalls die herrschenden Schichten der Gesellschaft waren, eine solche Anlage in ihrer Realisierung und Pflege unterhalten zu können.
Was die alten traditionellen Gärten in Kyoto und besonders die Stein-Gärten der Zen-Tempel betrifft, haben sich die Japaner in ihrem Traditionsbewusstsein diese Stätten höchster Kultur bewahrt.
So, wie sie ihre traditionellen Shinto-Schreine mit den sie umgebenden Anlagen liebevoll verehren und pflegen, verhält es sich auch mit diesen Gartenanlagen. Sie sind der Öffentlichkeit zugänglich und bieten daher allen Gesellschaftsschichten einen Ort innerer Einkehr.
Die öffentlichen Parkanlagen entsprechen in ihrem Aufbau und ihrer Formgebung in Hinblick auf urbane Massenkultur einem anderen Bedürfnis. Sie müssen im Gegensatz zur sonstigen Funktion des Gartens einen Raum zur Naherholung vieler Menschen bieten, einen Gegenpol zur sonstigen Komprimierung urbaner Lebensumstände. Somit werden Parks angelegt, die in ihrer Art den unseren gleichen.
Durch den Prozess der Urbanisierung und Globalisierung findet Angleichung statt.
Die Verstädterung und die damit einhergehende Bevölkerungsdichte unserer Gesellschaftsstrukturen nimmt an Dimension immer mehr zu. Kulturelle Einflüsse vernetzen sich in diesem globalen Prozess und erzeugen somit auch multikulturelle Dichte. Sie bewirkt interkulturellen Austausch, der zur Folge hat, dass auch japanisches Kulturgut Einfluss auf unseren Kulturkreis nimmt.
Bezogen auf die essenzielle Schlichtheit japanischer Gestaltung als ein Produkt meditativer Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst kann westliche Kultur sich diese Prinzipien durchaus zum Vorbild nehmen. Ob nun in künstlerischer, architektonischer oder philosophischer Hinsicht, war und ist dieser Prozess in auch bestimmten Schüben festzustellen.
Darüber hinaus liegt der japanischen Gestaltung ein Raumverständnis zugrunde, das dem westlichen ersteinmal fremd erscheint, bei eingehender „Betrachtung“ jedoch durch seine klare Sinnlichkeit und Sensibilität für Raumempfinden besticht.
Im europäischen und westlichen „Raum“ herrscht Raumvorstellung durch rationalisiertes Raumverständis vor, wie bereits im Vorwort erwähnt.
D.h. seinem kulturellen Umfeld entsprechend erlernt der Mensch auf spezifische Art seinen ihn umgebenden Raum zu verstehen, ihn mit dem Verstand einzuordnen. Er eignet sich dabei von klein auf eine bestimmte Methode an, den wahrgenommenen Raum in ein einordnendes Vorstellungsmuster zu projizieren. Dieser Vorgang von Raumvorstellung beschreibt demnach eine funktionale Einschreibung, eine assoziative Verknüpfung von Informationen mit entsprechenden Elementen im Raum. Damit werden sie in ihrer kulturellen Bedeutungszuweisung des jeweils Sehenden begriffen.
In Hinsicht auf diesen Aspekt wird demnach in japanischer Sichtweise der Raum in seinem Wesen anders verstanden als in westlicher, einer von Ratio, dem urteilenden Verstand geprägten.
Natürliche Gegebenheiten der Geographie des Landes und seine kulturelle Entwicklung haben im kollektiven Unterbewusstsein der japanischen Bevölkerung ein Raumverständnis hinterlassen, dass auch mit Dichte unterschiedlich umzugehen weiß. So finden sich in japanischer Lebensart und die durch sie geprägte Gestaltung interessante Ansätze in der Manipulation für Raumempfinden, so bspw. für nah und fern, groß und klein oder für außen und innen.
In der japanischen Gartenbaukunst sind diese Prinzipien im Umgang mit Raum bis zum heutigen Tag lebendig geblieben.
Diese Prinzipien sollten Vorbild unserer urbanisierten Massenkulturen sein, sind sie doch in der Lage, unseren immer mehr verdichteten Lebensräumen noch Charakter zu verleihen, einen Eindruck von Sichtweise zu vermitteln, die möglicherweise etwas über einen selbst aufzeigt

Glossar

1 Laotse [ ca. 600 v.Chr., mglw. auch 400 – 300 v. Chr.], Verfasser der philosophischen Aphorismen, zusammengefasst in seinem TAO-TE-KING
2 ca. 560-438 vor unserer Zeitrechnung
3 Eine Chronik der Japanischen Geschichte aus dem Jahr 720 n. Chr.
4 Aston, W.G., 1956, S.389
5 Aston, W.G., 1956, S.154
6 chisen shuyu teien – jap. „See-Quell-Bootfahrt-Garten“
7 shinden - jap. für „zum übernachten gedachter Palast“, leitet sich ab vom Namen der Haupthalle der Palastanlage [shishin-den – wörtlich “die purpurne Halle des Kaisers“]
8 Sambo-in – jap. „Tempel der drei Schätze“
9 shoin – der kultivierteste Raum in der Wohnanlage der Samurai und Zen-Priester
10 nan-tei - jap. „Südgarten“
11 nikkamon – jap. „Sonnenblumentor“; gekkamon – jap. „Mondblumentor“
12 riyku – jap. „abgelegene Paläste“; sento gosho – jap. „Paläste für abgedankte Kaiser“
13 osawa no ike – jap. „großer sumpfiger Teich”,
14 im Jahre 1019 von Fujiwara no Michinaga erbaut
15 kare-sansui – jap. „Trockenlandschaft“, übernahm im Laufe der Jahrhunderte die Bedeutungen vieler ähnlich klingender Wörter, wie: ka-sensui – „Pseudo-Berg-und-Wasser-Landschaft“,kare-sensui – „ausgetrocknete Berg-und-Wasser-Landschaft“ und kara-sensui – „Berg-und-Wasser-Landschaft im Stil der Tang-Dynastie“
16 1185 gründete Yoritomo Minamoto, Oberhaupt des Minamoto-Clans im Norden Japans die Hauptstadt Kamakura.
17 1336 wurde Kaiser Godaigos dreijährige Amtszeit durch Ashikaga Yoshimitsu, einen Anführer des Minamoto-Clans wieder beendet, der daraufhin seine Regierungsgeschäfte vom Muromachi-Viertel in Kyoto aus leitete.
18 Sakutei-ki - das älteste erhaltene Gartenhandbuch aus dem 11. Jahrhundert
19 Tempel im westlichen Teil Kyotos
20 Während der Onin Aufstände [1467-1477] wurde Kyoto vollständig zerstört
21 Ishitateso - Mönche der esotherischen Shigon-Sekte
22 Kawaramono – jap. „Leute vom Flussufer“; quasi Ausgestoßene, die an den von niemanden beanspruchten Flussufern lebten und unangesehene Arbeiten verrichteten, wie bspw. Schlachten.
23 Chinesische Dynastien: Nord-Song [960-1127], Süd-Song [1127-1279]
24 Hojo – jap. „Wohngebäude des Haupt-Priesters“
25 Daisen-in, „großer Eremitentempel“
26 hondo - Haupthalle im Tempelbezirk
27 Der Bodhi-Baum, ein Feigenbaum unter dem der Überlieferung zufolge Gautama Buddha die Erleuchtung erfuhr.
28 wabi-cha – jap. „verinnerlichtes und schlichtes Tee-Ritual“
29 Murata Shuko [1422-1502], Jünger des Zen-Meisters Ikkuyu
30 Takeno Joo [1502-1555]
31 so-an – jap. Grashütten, ca. 3 Tatami Matten groß, Teelaube
32 Schüler Takeno Joos
33 Furuta Oribe [1544-1615]
34 tsukubai - traditionelle Steinsetzung mit Wasserbecken zur rituellen Reinigung
35 shitabara setchin - kleine Toilette
36 chiri-ana - Abfallgrube
37 suyika – jap. „Gebäude von erlesenem Geschmack
38 Edo-Zeit – [1603-1868]
39 meisho – jap. „Sehenswürdigkeiten“,
40 Meiji-Zeit – [(1854)1866-1912]
41 tsubo – Flächenmaß, etwa 3,3 m², entspricht zwei Tatami-Matten
42 Palast- und Gartenarchitektur der Heian-Zeit
43 Tusche, die für Kalligraphie und Bildrollen verwendet wird
44 hanamizuki – jap., „nordamerikanischer Blumenhartriegel, [Cornus florida]“
45 bonseki – jap., „Kunst des Bonsai-Züchtens“
46 Pocket Park – engl., „Taschen-Park“
47 machizukuri – jap., „behutsame Stadt-, bzw. Quartierserneuerung mit Bürgerbeteiligung“
48 doma - Vorhalle im japanischen Haus

Anhang B
Literaturverzechnis:

Joshua Conder – Landscape Gardening in Japan; Dover Publications, Inc., New York, 1964

Zdenék Hrdlicka, Vénceslava Hrdlicková – Japanische Gartenkunst, Dausien Verlag, 2. Auflage 1988

Vénceslava Hrdlicková – Japonske Zahvady, Praha, 2001

Laotse - Tao-Te-King, mit Text und Einführung von Rudolf Backofen, Drei Eichen Verlag, 1984

Tomoya Masuda, (Hrsg.) Henri Stierlin – Architektur der Welt, Band 11, Japan; Benedikt Taschen Verlag, 1969
Günter Nitschke – Japanische Gärten; Benedikt Taschen Verlag, 1999

Michiko Rico Nosé, Michael Freeman – Der moderne japanische Garten, Von der Schönheit der Leere; Verlag DVA Stuttgard München, 2002; engl. Original: „The Modern Japanese Garden“, 2002 im Verlag Mitchell Beazley, London erschienen.

Seike/Kudo/Schmidt - Japanische Gärten und Gartenteile; Verlag Eugen Ulmer, 1983 Stuttgart; jap. Titel: „Satukei no Jiten“, 1978 Kodansha

Tetsuro Yoshida – Der Japanische Garten; Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen, 1957

Wikipedia.org [http://de.wikipedia.org/wiki/Japan; Stand: 22:39, 19. Jan. 2005.]

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