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Zur Rekonzeptualisierung des architektonischen Raumes im Zeitalter seiner Virtualisierung

von Jörg H. Gleiter Tokio/Berlin

Die Konferenz hat sich zum Ziel gesetzt, “zum Teil vernachlässigte, wissenschaftliche Traditionen zum architektonischen Raum” neu aufzugreifen und ihre Relevanz für die aktuelle Problematik des gebauten Raumes aufzuzeigen. Einleitend gilt es zu klären, was einerseits in Bezug auf den architektonischen Raumbegriff unter den vernachlässigten wissenschaftlichen Traditionen zu verstehen ist, andererseits, was die aktuelle Problematik des gebauten Raumes überhaupt ausmacht. Wie im zweiten Teil sichtbar zu machen sein wird, läuft die aktuelle Problematik des gebauten Raumes notwendigerweise und alternativlos auf einen Punkt hinaus: auf die Frage nach der Architektur als symbolischer Form im Zeitalter des digitalen Paradigmenwechsels. Im Zentrum steht hierbei, ganz im Sinne von Ernst Cassirer, die Architektur als intersubjektiv gültige Form lebensweltlicher Vermittlung der herrschenden technischen Rationalität. Auf der angewandten Seite – diesseits der virtuellen Neben- und Parallelwelten – kulminiert dies in der Frage nach der Rekonzeptualisierung des architektonischen Raumes. Auslöser dafür ist die heute zunehmende Verwischung der Grenzen zwischen den dreidimensionalen Objekt- und den zweidimensionalen Bilderwelten und der damit einhergehenden Infragestellung des klassischen Raumbegriffs. Im dritten und letzten Teil soll dann die Relevanz der vorgetragenen Theorieansätze für die Architekturpraxis aufgezeigt werden. Vorgestellt werden einige Projekte des japanischen Architekten Jun Aoki. Exemplarisch stehen sie für die sehr eigenen Strategien kultureller Mimesis, die in der Rekonzeptualisierung des traditionellen japanischen Raumkonzeptes ma ein Ziel verfolgen: Das ist die Aufnahme der neuen digitalen Technologien in den kulturellen Gehalt und damit Bestätigung der Architektur als die für die Kultur zentrale symbolische Form im Zeitalter des digitalen Paradigmenwechsels.

Der Raum und die dynamische Struktur des kulturellen Kräftefelds

Was ist nun unter den vernachlässigten wissenschaftlichen Traditionen zu verstehen? Ganz allgemein lassen sich zwei Kategorien unterscheiden. Zur ersten sind jene Wissenschaftstraditionen zu rechnen, die trotz ihres wissenschaftlichen Stellenwertes und ihrer Bedeutung für die künstlerische Praxis zu einem bestimmten Zeitpunkt von der Dynamik der Geschichte überrollt werden und als Makulatur in den Archiven verschwinden, wo sie dann darauf warten, unter einer günstigeren historischen Konstellation dem Vergessen entrissen zu werden, um im Sinne von Walter Benjamin[1] zu Kristallisationspunkten einer in die Zukunft gerichteten Wiederaneignung des unterdrückten Vergangenen zu werden. Nach Reinhard Koselleck gehört diese Art der Vernachlässigung zu den elementarsten Techniken der Gedächtnis- und Geschichtsbildung schlechthin. Das Farbloswerden, das Verlieren und Verblassen von Erinnerung sind Teil jener kulturellen Prozesse, die, mit der nötigen historischen Distanz, zielstrebig in eine zweite Phase der Verwissenschaftlichung[2] führen.

Ungleich brisanter sind dagegen jene Fälle, bei denen die Theorien und Konzepte deswegen vernachlässigt werden, weil sie als allzu selbstverständliche und gesicherte Erkenntnisse erachtet werden. Vernachlässigt sind sie deshalb, weil sie sich in aller Sichtbarkeit gleichsam gut versteckt der Reflexion entziehen. Als ein aus dem Bewusstsein Verdrängtes führen sie in aller Offenheit eine im Sinne von Sigmund Freud geradezu unheimliche Existenz, wobei sie einen Prozess der Transformation durchmachen, an dessen Ende sie uns sogar als Teil unserer Natur erscheinen mögen, während sie doch in Wirklichkeit alles andere als das sind.

In diese zweite Kategorie der vernachlässigten Theorien gehört der Begriff des Raumes, und zwar insofern, als in ihm bis heute die Raumkonzeptionen und -theorien des ausgehenden 19. Jahrhunderts latent, das heißt unhinterfragt nachwirken. Am Ende des 19. Jahrhunderts wollte man im Raum das zentrale Medium erkannt haben, das es erlauben sollte, vor dem Hintergrund der verloren gegangenen Selbstverständlichkeit der Traditionen die Architektur neu in ihrem Wesen zu bestimmen. Unter Missachtung des dynamischen Charakters von Kultur glaubte man, die nicht weiter reduzierbare Wesenhaftigkeit der Architektur in ihrer raumgestaltenden Funktion ontologisch bestimmen zu können. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ist dann die “Architektur als Raumgestalterin”[3] (August Schmarsow) oder die “Baukunst als Raumbildnerin”[4] (Paul Klopfer) an die Vorstellung einer “Wesensbestimmung der Architektur”[5](Dagobert Frey) geknüpft. Das ungebrochene Nachwirken dieses ontologischen Erbes, so die These hier, dürfte wesentlich dafür verantwortlich sein, weshalb sich die Architektur heute mit den Herausforderungen des digitalen Zeitalters und im besonderen der Rekonzeptualisierung des Raumes im Kontext der digitalen Neben- und Parallelwelten so schwer tut.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts besteht die Problematik der Diskussionen um die Architektur als Raumbildnerin darin, dass man als Medium für die Ontologisierung, das heißt die Wesensbestimmung der Architektur, den Raum isoliert von allen technologischen und gesellschaftlichen Einflüssen und der von ihnen ausgelösten kulturellen Dynamik definierte. Es ist erstaunlich, wie die Theoretiker der frühen Moderne, wie Robert Vischer, August Schmarsow und der junge Heinrich Wölfflin[6] in seiner Dissertation Prolegomena zu einer Psychologie der Architektur, später Paul Klopfer, Fritz Schumacher und Herman Sörgel, die Architektur und den Raum ausschließlich im leibphänomenologischen Bezug zu definieren versuchten und die Raumerfahrung weitgehend als anthropologische Konstante behandelten.

Kein Wort verlieren sie darüber, was denn der Anlass für die Rekonzeptualisierung der Architektur im Übergang vom Stil zum Paradigma des Raumes war. Kein Wort darüber, dass die Frage nach der Wesenhaftigkeit der Architektur überhaupt erst durch die massiv in das kulturelle Gefüge eingreifenden neuen Ingenieurtechnologien, die neuen Materialien und neuen Produktionsverfahren ausgelöst wurde. Man tat so, als ob es sich bei der Hinwendung zum Raum um einen autopoietischen Prozess handelte, als ob hier eine aus der Logik der Disziplin selbst kommende, teleologische Entwicklung am Werke wäre, als ob jetzt – warum aber gerade jetzt, gegen Ende des 19. Jahrhunderts – die Geschichte der Architektur in der Idee der Architektur als Raumbildnerin auf einer höheren Ebene angekommen sei. Alles drehte sich um die in der “baukünstlerische[n] Bewältigung des Raumes”[7] (Fritz Schumacher) sich selbst findende Architektur. Ganz hegelianisch war man der Meinung, dass der Übergang von Ornament und Stil zum Paradigma des Raumes das Ende der Entwicklung der Architektur als Kunst sei und diese damit ihren Abschluss gefunden hätte. Aus der Überzeugung, dass jenseits ihres Zeichencharakters die Wesenhaftigkeit der Architektur allein im Raum liege, erklärt sich letztendlich auch der moralische Impuls, mit dem die Debatten um die Abschaffung des Ornaments, um den “Formenflitter längst vergangener Stilzeiten”[8] geführt wurden.

Wo die Protagonisten noch an ein evolutionistisches, teleologisch ausgerichtetes Modell kultureller Entwicklung glaubten, verschwand eines aus dem Sichtfeld: dass nämlich unsere Wahrnehmung und damit unsere Vorstellungen des Raumes keinen prästabilierten Vorstellungen folgen, sondern durch die kulturelle Dynamik der Modifikation unterliegen. Die Architektur entwickelt sich ja keineswegs losgelöst aus dem allgemeinen kulturellen Kontext, sondern aus einem kulturinternen Differenzierungsprozess heraus, innerhalb dessen, was Pierre Bourdieu die “dynamische Struktur des kulturellen Kräftefelds”[9] bezeichnete. Etwa beginnend um die Mitte des 19. Jahrhunderts werden in der Tat für die Architektur die neue Maschinenproduktion, die neuen Produktionsverfahren und die neuen Materialien wie Stahl und Glas zum dominanten kulturellen Kräftefeld. Das heißt, dass die neuen Gestaltungsmöglichkeiten und Raumkonzeptionen, die dadurch möglich werden, eben keine Erfindungen sind. Sie resultieren direkt aus der Interdependenz der Architektur mit den fundamentalen Strukturen des aktuellen kulturellen Kräftefelds, d. h. aus ihren stellungsspezifischen Eigenschaften und sind umgekehrt gerade deswegen auch als solche analysierbar. Wie Bourdieu feststellte, verbietet sich jeder Versuch, “die von dem synchronen Studium eines Feldes abgelösten Beobachtungen als transhistorische und transkulturelle Wesensbestimmung zu verklären.”[10]

Nicht unwichtig ist darauf hinzuweisen, dass die Architektur nicht nur auf der materiellen und konstruktiven Seite dem kulturellen Kräftefeld ausgesetzt ist, sondern die Architekten, Architekturhistoriker und -theoretiker ein sogenanntes intellektuelles Kräftefeld bilden, dem die Architektur ebenso ausgesetzt ist. Dass diese miteinander in intellektuellem Austausch stehen – zum Beispiel über Zeitschriften, Diskussionsforen und die Ausbildung an den Akademien –, ist der Grund dafür, dass die Architektur, trotz ihrer Einbindung in den allgemeinen Kontext der Kultur, einen gewissen Grad an Autonomie besitzt. Es sind nach Bourdieu gerade diese intellektuellen Kräftefelder, die die “eigentümliche Logik”[11] jeder Disziplin ausmachen, auch der Architektur. Ein Beweis wird in diesem Rahmen hier nicht zu erbringen sein, aber die Vermutung besteht, dass die Ontologisierung des Raumbegriffes im 19. Jahrhundert sich aus der übermäßigen Dominanz jener “eigentümlichen Logik” des intellektuellen Kräftefeldes der Architekturhistoriker und -theoretiker erklären lässt. Man wird in der bürgerlich-humanistischen Bildungsidee mit ihrem tief im deutschen Idealismus und in der Romantik verwurzelten Weltbild jene Struktur erkennen müssen, auf die – in ihrer bis heute nachwirkenden latenten Abneigung gegen die wissenschaftlich-technologischen Wissensgebiete – das Beharren auf eine Wesensbestimmung der Architektur im ausschließlichen Raumbezug zurückgeführt werden muss.

Im Kontext der neuen technischen Produktionsformen hatte in den zwanziger Jahren Walter Benjamin auf einen wichtigen Zusammenhang hingewiesen. Es ist die Beziehung, die zwischen den neuen Produktionsformen, der Veränderung unserer Wahrnehmungsweisen und den Prozessen der Naturalisierung bzw. Aufnahme der geänderten Wahrnehmungsmodi in den anthropologischen Gehalt menschlicher Erfahrung besteht. In den Notizen seines Passagenwerks heißt es dazu:

“Wann und wie werden die Formenwelten, die in der Mechanik, im Film, im Maschinenbau, in der neuen Physik etc. ohne unser Zutun heraufgekommen sind und uns überwältigt haben, das, was an ihnen Natur ist, uns deutlich machen? Wann wird der Zustand der Gesellschaft erreicht sein, in dem diese Formen oder die aus ihnen entstandenen sich als Naturformen uns erschließen?”[12]

Benjamin erkannte, dass die neuen Technologien ungeahnte Möglichkeiten insofern eröffnen würden, als aus ihnen neue Wahrnehmungsweisen hervorgehen, die ein neues Verhältnis zur Welt herstellen, neue Sichtweisen und neue Formen gesellschaftlicher Praxis. Von höchstem Interesse für unser Thema ist nun, dass Benjamin in den neuen Technologien seiner Zeit einerseits revolutionäre Energien erkannte, die die Wahrnehmung verändern, während er andererseits aus seiner spekulativen Geschichtsphilosophie heraus glaubte, dass diese neuen Wahrnehmungsweisen im weiteren Verlauf der Geschichte kein Äußerliches bleiben, sondern jenseits des revolutionären Impulses direkt in die menschliche Natur eingehen würden. Kommenden Generationen würden demnach die veränderten Verhaltens- und Wahrnehmungsweisen quasi als Natur erscheinen.

Benjamin explizierte seine These anhand der zu seiner Zeit wohl neuesten Medientechnologie, dem Film. Überraschenderweise sah er gerade die Architektur als Vorbild dafür. Dabei berief er sich auf die Architekturtheorien der Jahrhundertwende, wobei er diese einerseits in ihrer leibphänomenologischen Komponente bestätigte, andererseits sie dabei gleichzeitig in ihrer ontologischen Dimension auch in Frage stellte.

Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die Rezeption des Films “tiefgreifenden Veränderungen des Apperzeptionsapparates” entspreche, “Veränderungen, wie sie im Maßstab der Privatexistenz jeder Passant im Großstadtverkehr, wie sie im geschichtlichen Maßstab jeder heutige Staatsbürger erlebt.”[13] Diese Veränderungen analysierte Benjamin als den Übergang von der kontemplativen Rezeption der Kunst zur zerstreuten, beiläufigen Rezeption des Films durch die Massen. Die Ursache dafür sah er im veränderten Wahrnehmungsmodus von der bloßen Optik hin zur taktilen Rezeption. Und er glaubte, das Modell dafür in der von altersher üblichen Rezeption der Architektur erkennen zu können. Wo diese immer schon “taktil und optisch”[14] war sowie in der Zerstreuung durch das Kollektivum erfolge, kann nach Benjamin die Art der Wahrnehmung in der Architektur “kanonischen Wert” haben für das neu sich konstituierende Verhältnis der Massen zum Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit.

Benjamins Vorstellung einer gemischt optischen wie taktilen Wahrnehmung kann einerseits auf den Einfluss der Ästhetik der Aufklärung zurückgeführt werden, ganz konkret auf Moses Mendelssohns Ästhetik der “vermischten Empfindungen”. Mendelssohns doppelte Ausrichtung der Ästhetik auf das Schöne und Erhabene verbindet sich ja unmittelbar mit Benjamins Konzept des Optischen und Taktilen, wobei das Erhabene Mendelssohns wie das Taktile Benjamins eine starke leibphänomenologische Komponente[15] besitzen. Andererseits jedoch stehen Benjamins gemischte Empfindungen unzweifelhaft auch in unmittelbarem Bezug zur Architekturtheorie der Jahrhundertwende, besonders Paul Klopfers Theorie des “Tastbildes”, des “Tastraumes” und des “Raumtastbildes”[16]. In Abkehr von einer weitgehend in ihrer Zeichenhaftigkeit sich artikulierenden Stilarchitektur versuchte Klopfer mit seinem Konzept, in dem optische und taktile Erfahrung ineinander verschränkt sind, die Architektur in einem starken leibphänomenologischen Bezug zu definieren. Daher der Begriff des Raumtastbildes. Mit der Entsprechung zwischen Raum und Leib, ist es jetzt nicht mehr die Zeichenhaftigkeit der Ornamente und Stilformen sondern der Raum, der zum Medium der Architektur wird. Es ging darum, die Architektur unter den neu entstandenen Rahmenbedingungen der Massenkultur neu zu definieren und der elitären Zeichenhaftigkeit der klassizistischen Architekturtheorie den Rezeptionsmodus des neuen Massenpublikums entgegenzustellen.

Gerade hier treffen sich Benjamin und Klopfer: Dem Rezeptionsmodus der Masse entspricht, wie Benjamin formulierte, der der Zerstreuung und der Gewohnheit durch eine taktile Rezeption. Taktilität heißt hier jedoch nicht eine über den Tastsinn, also den Hautsinn vermittelte Erfahrung, sondern die Auslösung einer physiologischen Reaktion im Betrachter durch die Reizübermittlung des optischen Sinns. Daher konnte Benjamin ganz auf die Schockwirkung des Films setzen. Das ist die neue Qualität, das ist die angemessene Art der Wirkung und die Macht des Films auf ein nur noch zerstreutes, die Kunst beiläufig nur rezipierendes Publikum. Einerseits heißt das jetzt, dass darin das neue technische Medium Film das alte Medium Architektur übertrifft. Andererseits wird aber deutlich, dass es sich hier um Rezeptionsformen in Abhängigkeit vom jeweiligen kulturellen Kräftefeld handelt, dass es sich bei den spezifischen Rezeptionsformen weder des Filmes noch der Architektur um “natürliche Einstellungen” handeln kann und sie daher kaum für ontologische Letztbegründungen tauglich sind.

Wo unsere Wahrnehmungsweisen immer nur bedingt sind, ist jetzt mit Benjamin ein genereller Vorbehalt gegen jede innerhalb der Kultur als natürlich erscheinende Wahrnehmungsweise einzufordern. Dass Benjamin sich dessen bewusst war und in dieser Beziehung den neuen Technologien einiges an Misstrauen entgegenbrachte, zeigt seine Analyse des Missbrauches der neuen Medientechnologien wie Radio und Film durch den Faschismus. Darauf einzugehen ist hier allerdings nicht der richtige Ort. Im Folgenden gilt es allerdings, diesen generellen Vorbehalt dem Phänomen des Raumes gegenüber geltend zu machen und in Bezug auf die aktuelle Problematik der Architektur im Kontext des digitalen Paradigmenwechsels in Anschlag zu bringen.

Architektur als symbolische Form

War das Anliegen bisher, die Raumwahrnehmung in ihrer spezifischen Dynamik kenntlich zu machen, so soll jetzt im zweiten Teil das Verhältnis von Architektur und Technologie näher bestimmt werden. Dies scheint im ersten Augenblick von der Problematik des Raumes wegzuführen, bildet aber die Grundlage für die weitere Diskussion des architektonischen Raumes im Zeitalter seiner Virtualisierung. Die hier vorzutragende These ist, dass das Problem der Ontologisierung der Architektur in den Kategorien des Raumes daher so problematisch ist, weil es nicht nur die jeweils neuesten Technologien als entscheidenden Faktor ignoriert, mit denen wir unser Verhältnis zur Welt jeweils aufs Neue definieren, sondern weil es die kulturelle Funktion der Architektur schlechthin in Frage stellt.

Was das Verhältnis von Architektur und Technologie und die kulturelle Funktion der Architektur anbelangt, lässt sich dieses in der Gegenüberstellung der heutigen Situation mit ihrer Vorgeschichte in der frühen Moderne sichtbar machen. Denn ähnlich zur Situation heute konstituierte sich auch die Architektur der Moderne unter dem Einfluss eines technologischen Paradigmenwechsels. Während wir heute vom digitalen Paradigmenwechsel sprechen können, war es um die Wende zum 20. Jahrhundert der produktivistische Paradigmenwechsel und die Maschinenproduktion, die mit der ihnen eigenen Rationalität auf den unterschiedlichsten Ebenen ins Alltagsleben einwirkten und letztendlich zur Krise der bürgerlichen Kultur führten.

Zwei Alternativen boten sich zur Lösung an. Eine davon ist unter dem Namen des l’art pour l’art bekannt. Dahinter verbirgt sich der weitestgehende Rückzug der Künste aus ihrer Einbindung in das Alltagsleben. Unter Aufgabe ihrer unmittelbaren Wirkungsmacht bedeutete dies ihr gänzliches Aufgehen in den ästhetischen Welten der Einzelkünste. Beispiele dafür sind der Jugendstil im Allgemeinen und der Kreis um Stefan George im besonderen. Die dazu konträre Alternative hat ihren prominentesten Fürsprecher dagegen in Theodor W. Adorno. Dieser formulierte in seinem Buch Ästhetische Theorie, dass allein die Anlehnung der künstlerischen Praktiken an die vorherrschenden Produktionsverfahren die einzige Möglichkeit darstelle, mit der die Künste, in einer von der instrumentellen Vernunft der Maschinenproduktion geprägten Zeit, ihrer gesellschaftlichen Marginalisierung entkommen könnten. In der Abwendung von der Objektorientierung und der Hinwendung zum Verfahrenscharakter der künstlerischen Praktiken sah er den entscheidenden Beitrag der Avantgarde der Moderne.

Auf sehr pointierte Weise brachte er dies auf die Formel von der Notwendigkeit zur Mimesis, das heißt zur Angleichung der künstlerischen Verfahren ans “Verhärtete und Entfremdete”[17] der Maschinenproduktion. Das schloss beides ein, sowohl die Übernahme der neuen Materialität – für die Architektur sind das hauptsächlich Stahl, Glas und Beton – wie auch die Adaption der produktivistischen Verfahrensweisen selbst. Die Impulse, die davon auf die Künste übergingen, mündeten in deren Neuausrichtung im Übergang von der Fixierung auf das künstlerische Objekt hin zu den künstlerischen Verfahren selbst. Vor dem Hintergrund der Standardisierungs-, Typisierungs- und Serialisierungsverfahren fand dies in den Künsten seinen Niederschlag in den Montage-, Collage- oder Frottagetechniken. Peter Bürger hat dies sehr eindrücklich in seinem Buch Theorie der Avantgarde beschrieben. Für die Architektur dagegen wurde dies zum Anlass neuer konstruktivistischer Entwurfsstrategien, wie diese aus dem russischen Konstruktivismus, De Stijl oder auch vom Bauhaus bekannt sind.

Um der Marginalisierung im neuen, von der instrumentellen Vernunft der Maschinenproduktion geprägten kulturellen Kontext zu entgehen, sind nach Adorno die Künste und die Architektur gezwungen, irgendwie die neuen Technologien in sich aufzunehmen, ohne sich ihnen jedoch bis zur Unkenntlichkeit gleichzumachen. “Mimesis ans Verhärtete und Entfremdete” bedeutet Angleichung an den Verfahrenscharakter und nicht mehr Mimesis ans Objekt. Die Technik der Mimesis an die Verfahren wird dadurch gleichzeitig auch als eine Technik der Distanz gegenüber den Objekten, den Hypostasierungen des Lebens sichtbar.

Tatsächlich verstand Adorno, in spezifisch dialektischer Wendung, in der mimetischen Angleichung weder das völlige Aufgehen der künstlerischen Praktiken in den Verfahren der Technologie noch in der Lebenspraxis. Andernfalls wäre sie nur naive Mimesis, das heißt “schnöde Verdoppelung des Unheils”.[18] Nur aus der kritischen Distanz zur zunehmend unheimlichen Gegenwart schien ihm die Kunst ihre Qualität als Modell besserer Praxis bewahren zu können. Somit verband sich für Adorno mit der Kunst keineswegs, wie für Benjamin, jener Prozess, den Bürger später als “Überführung der Künste in Lebenspraxis”[19] bezeichnete. In einer solcherart konzeptualisierten Dissolution der Künste in den Lebensalltag, dazu noch auf mechanistischer Grundlage, hätte Adorno nichts weniger als ihre Instrumentalisierung durch die Kulturindustrie gewittert.

“Mimesis ans Verhärtete und Entfremdete” wird für die Avantgarde zu einer der entscheidenden Strategien der Konzeptualisierung der Künste. Dadurch wird auch jene Formulierung Adornos verständlich, in der er erklärte, dass das Neue in der Moderne das "ästhetische Signum der erweiterten Reproduktion"[20] sei. Das Neue sei eben immer von der Sache her erzwungen, die anders nicht zu sich selbst kommen könne. Entscheidend für die Architektur dürfte Adornos Erkenntnis sein, dass die Aufnahme der fortgeschrittensten Technologien in den Gehalt der künstlerischen Disziplinen weder subjektivistischen Vorlieben noch einem reinen Fortschrittsglaube folge noch allein den Gesetzen der Ökonomie. Die Aufnahme der technologischen Verfahren in den Gehalt der künstlerischen Praktiken, so Adorno, sei also keineswegs einem bloßen Up-to-date-sein zu verdanken, sondern der kulturellen Funktionsweise[21] der Künste selbst geschuldet.

Für das digitale Zeitalter, so wäre hier zu ergänzen, gilt nichts weniger. Auch hier entsteht das Neue nicht aus einer subjektivistischen Laune, sondern im Kontext des digitalen Paradigmenwechsels aus einer kulturellen Notwendigkeit heraus. Damit soll natürlich nicht behauptet werden, das digitale Zeitalter sei nur eine Verlängerung oder Potenzierung des mechanistischen Zeitalters. Die Frage ist dagegen, was denn im Zeitalter des digitalen Paradigmenwechsels Mimesis an die neuen Technologien bedeutet, wo diese geradewegs ins Nichts des virtuellen Raumes, also buchstäblich ins Leere führt. Selbst eine produktionsästhetische Ausrichtung scheint im Zeitalter einer mühelosen, zwischen Original und Kopie nicht mehr unterscheidenden Vervielfältigungstechnik kaum mehr aktuell. Im Zeitalter des digitalen Paradigmenwechsels wird die Notwendigkeit sichtbar, Adornos Begriff der Mimesis selbst neu zu konzeptualisieren.

Dafür bietet sich Ernst Cassirers Philosophie der symbolischen Formen an. Mit ihr gelingt es, wie gezeigt werden soll, Adornos Ansatz einer kritisch-utopischen Praxis der “Mimesis ans Verhärtete und Entfremdete” zu erweitern und dem Raum, nicht nur metaphorisch das ihm im Zeitalter des digitalen Paradigmenwechsels zukommende Gewicht zu verleihen.

Cassirer zufolge sind diejenigen kulturellen Formen als symbolisch zu bezeichnen, in denen Sinn und Sinnlichkeit in einer Weise vereinigt werden, so dass im Sinnlichen zugleich Sinn, d. h. das Vernünftige gegeben ist und umgekehrt im Vernünftigen auch ein Sinnliches erscheint. Symbolische Formen besitzen also die Fähigkeit, das Rationale und Funktionale mit dem Sinnlichen zu verbinden. Trotz ihrer Autonomie versteht Cassirer jede symbolische Form als Matrix der Kultur, in der – fast schon hypertextartig – die verschiedensten kulturellen Praktiken sich vielfältig kreuzen und im gegenseitigen Austausch aufeinander bezogen sind[22]. Alles deutet also darauf hin, in der Architektur, in ihrer Räumlichkeit und Materialität, im Sinne von Cassirer eine solche symbolische Form zu erkennen. Denn es gibt wohl kaum eine andere kulturelle Praxis, die unmittelbarer das Rationale mit der Sinnlichkeit, die Funktionalität mit der Stofflichkeit verbindet und die zur Aufnahme der technischen Realität in den sinnlich-ästhetischen Gehalt der Kultur fähiger wäre als die Architektur.

Wichtig ist nun, dass Cassirer Adornos Verengung der Theorie der Künste auf eine Dialektik zwischen autonomer Kunst und Alltagswelt sprengt. Hier findet die Öffnung hin zu einem pluralistisch konzipierten Kulturmodell statt. Jetzt gewinnen all jene kulturellen Praktiken an Aktualität, die bisher im dialektischen Schema zwischen hoher und niedriger Kultur schwer zu platzieren waren, wie zum Beispiel die Architektur. Als symbolische Form wird die Architektur als einzig intersubjektive kulturelle Instanz sichtbar, in der die Vermittlung von Technologie und Leibphänomenologie, von Politik und Kunst, Ökonomie und Soziales gelingen kann. Die Architektur wird so offen für neue Zwischenformen, d. h. offen für neue Formen kultureller Mimesis. Seine besondere Bedeutung erhält dies mit den neuen Zwischenformen, die im Kontext der zu beobachtenden Verschiebung der kulturellen Dominante heute von der modernistischen Objektproduktion zur postindustriellen Bilderkonsumtion und ihrer Liquidisierung der Grenzen zwischen Objekt- und Bilderwelt entstehen.

Von der virtuellen Realität zur virtuellen Materialität[23]

Im Kontext des Themas – der Rekonzeptualisierung des architektonischen Raumes im Zeitalter seiner Virtualisierung – sollen in diesem dritten und letzten Teil nun konkrete Beispiele für die neuen Formen kultureller Mimesis aufgezeigt werden. Ausgangspunkt dafür ist die weiter oben gewonnene Einsicht, dass es für die Architektur heute keine Alternative zur Aufnahme der technologischen Potenziale in ihren Gehalt gibt. Die allgemeine Problematik des Verhältnisses der künstlerischen Disziplinen zu den neuen digitalen Technologien hatte Konrad Paul Liessmann schon Mitte der neunziger Jahre mit der Feststellung auf den Punkt gebracht, dass ja noch lange nicht jede digitale Illusion am Bildschirm eine ästhetische Erfahrung sei. Seine Kritik galt der Selbstzufriedenheit der Protagonisten der ersten digitalen Avantgarde in den Künsten und der Architektur, wie zum Beispiel Greg Lynn, Stephen Perrella und anderen. In der Beliebigkeit ihrer künstlerischen Verfahren und ihrem naiven Glauben an die Befreiung der Architektur im virtuellen Raum seien deren künstlerische Produktionen nicht viel mehr als “Jahrmarktattraktionen”. Dennoch fügte er hinzu, dass dieses nicht heißen könne, dass sich aus “diesen technischen Potenzialen […] nicht ästhetische Strategien gewinnen ließen”[24].Wie hier gezeigt werden soll, scheint nun in der Praxis des japanischen Architekten Jun Aoki ansatzweise eine solche Übertragung der neuesten technischen Potenziale in ästhetische, hier konkret in architektonisch-räumliche Strategien zu gelingen.

Dass heute für die Rekonzeptualisierung des Raumes die vielleicht entscheidenden Impulse aus Japan kommen, dürfte in der spezifischen Affinität der Virtualität der neuen Technologien zur japanischen Ästhetik des Verschwindens, d. h. der zen-buddhistisch und damit nihilistisch geprägten Ästhetik Japans liegen. Ausgangspunkt für Aoki ist in der Tat das traditionelle japanische Raumkonzept, der Zwischenraum ma, mit dessen Rekonzeptualisierung die Aufnahme jener eigentümlichen Zwischenwelten in den Gehalt der Kultur zu gelingen scheint, die heute durch die Verwischung der Grenzen zwischen der materiellen Objektwelt und der immateriellen digitalen Bilderwelt die klassischen Raumkonzepte herausfordern. Wo die erste digitale Avantgarde noch ganz auf die Virtualität des digitalen Raumes setzte, zeichnet sich bei Aoki eine höchst interessante Verschiebung des architektonischen Interesses und der räumlichen Strategien ab: von der virtuellen Realität hin zu den Verfahren der virtuellen Materialität.
Aokis Pavillon für Louis Vuitton in Nagoya dürfte wohl einer der ersten Versuche gewesen sein, der sich der Rekonzeptualisierung des architektonischen Raumes im Kontext der neuen digitalen Technologien stellte. Das gilt auch dort, wo das Gebäude dem ersten Anschein nach der These von der Rekonzeptualisierung des architektonischen Raumes zu widersprechen scheint und zwar insofern, als es sich formal als ein einfaches Volumen, eine einfache Box präsentiert. Bei näherer Betrachtung wird jedoch sichtbar, dass das Gebäude aus zwei Volumen besteht, einem inneren, der eigentlichen Funktionsfläche, und einem äußeren, das den Innenraum wie eine Art Mantel umgibt. Tatsächlich besteht die Fassade aus zwei Schichten im Abstand von etwa zwei Metern. Die äußere Schicht ist aus Glas und durchsichtig, die innere dagegen opak. Beide sind jedoch mit demselben Karomuster bedruckt. Aufgrund der räumlichen Distanz, die die zwei Ebenen voneinander haben, entsteht so, je nach Blickwinkel und Lichtverhältnisse, ein Moiré-Effekt auf den Oberflächen. Dabei ist die äußere Schicht tagsüber aktiver, dann scheint durch den Moiré-Effekt der ganze Pavillon wie in einen durchsichtigen, diagonal gestreiften Stoff gehüllt, während abends, bei künstlicher Beleuchtung, der Moiré-Effekt auf der hinteren Ebene zur Erscheinung kommt, die dann wie mit Leder bezogen wirkt. Der Effekt ergibt sich freilich nur aus der Distanz, tritt man näher, so löst sich die Illusion auf. Fassbar bleiben nur Glas und Stahl. In der stofflich-materiellen Erscheinung der Architektur im Moiré-Effekt haben wir es also mit einem r ein visuellen und im eigentlichen Sinne durchaus virtuellen Ereignis zu tun, mit einer Art virtuellen Materialität.

Einen ähnlichen Effekt erzielt Aoki auch bei seinem Louis-Vuitton-Gebäude in Tokios Harajuku-Viertel, jedoch auf sehr viel abstraktere Art und Weise. Hier sind es verschiedene Metallgewebe, die, getrennt durch einen Zwischenraum, in der optischen Überlagerung einen kontinuierlich sich ändernden Stoffcharakter erzeugen, der manchmal satiniert und weich, andere Male wieder semitransparent und silbrig-metallisch wirkt. Von Bedeutung in unserem Kontext ist, dass Aoki auf die Applikation technischer Elemente verzichtet. Es gibt hier keine Plasmabildschirme oder computergesteuerte Programme, die die Fassade dynamisch, sei es durch künstliches Licht oder mechanisch, in Bewegung halten, noch kann man, selbst wo die Fassade sich permanent zu verändern scheint, von einer Interaktivität der Fassade sprechen. Tatsächlich bedient sich Aoki ausschließlich einfacher architektonischer Mittel. Einerseits ist dies die natürlicherweise dynamische Beziehung, die der Betrachter je nach Abstand zum Gebäude hat, während das zweite Mittel eine einfache architektonische Erfindung ist: die Ausbildung der Fassade als Volumen, als Zwischenraum. Die Erscheinung der Gebäude in ihrer jeweils spezifischen, im eigentlichen Sinne eben virtuellen Materialität, ist ein Effekt der Aktivierung des Fassadenzwischenraumes. Von ihm hängt der Moiré-Effekt ab und erst in zweiter Linie von der dynamischen Beziehung des Betrachters zum Gebäude.

Im Sinne der von Benjamin konstatierten Beobachtung, dass aus den jeweils neuen Technologien neue Wahrnehmungsweisen, mithin neue Formen kultureller Praxis resultieren, präsentiert sich Aokis Architektur als durchaus emanzipierte Reaktion auf die neue digitale Medienästhetik und ihre neue Sichtbarkeit. Mit der Flüchtigkeit der stofflichen Erscheinung und der Virtualität der Materialität reagiert Aoki auf die neue Sensibilität der Sinne, die neue Visualität und veränderte Wahrnehmungsweise, die sich im Video- und Computerzeitalter eingestellt haben. Das ist aber nur die eine, dem Zeitgeist und dem globalen technologischen Wandel zugewandte Seite, dessen dialektischer Gegenpart die optische Aktivierung des Fassadenzwischenraumes ist, mit der Aoki die Verbindung zur traditionellen japanischen Ästhetik herstellt. Es ist das Ma, jener mysteriöse Zwischenraum, der ein essentieller Bestandteil der japanischen Kultur ist, den Aoki im Zeitalter der neuen Medienästhetik neu interpretiert. Ma bezeichnet jenen nicht messbaren Raum, der falsch verstanden wäre, wenn man in ihm nur den mathematisch nicht weiter aufgehenden Rest komplexer räumlicher Figuren erkennen wollte. Ma steht zum Beispiel in den japanischen Tuschezeichnungen für jene räumlich undefinierbaren Flächen, die zwischen den zu perspektivischer Wirkung gestapelten Bildmotiven übrigbleiben, ma erscheint aber auch im Alltag als Form einer nicht näher definierbaren sozialen Distanz oder in den Techniken der Entmaterialisierung in den klassischen Handwerkstechniken, wie zum Beispiel den Lacktechniken; letztendlich muss man im Zwischenraum ma eine der Erscheinungsformen der zen-buddhistischen Ästhetik des Verschwindens erkennen.

Mit der Technik der Virtualisierung der Materialität, d. h. der Scheinhaftigkeit des Materials steht die Architektur Aokis jedoch auch im größeren kulturgeschichtlichen Kontext der Moderne. Interessanterweise knüpft Aokis Architektur in ihrer Dialektik zwischen weicher äußerer Erscheinungsform und den im Inneren vorherrschenden, scharfkantigen Formen direkt an die von Benjamin für das 19. Jahrhundert beschriebene Warenästhetik an, gleichsam in deren Umkehrung. Mit seinem Raumkonzept, das der Idee eines umgestülpten Handschuhs folgt, präsentiert sich der Pavillon in Nagoya gerade in Umkehrung zur Etui- und Futteralkultur, wie sie Benjamin in seinem Passagenwerk für das 19. Jahrhundert so eindrücklich beschrieben hatte. Charakteristisch für das fin de siècle waren für Benjamin die mit Seide und Samt überquellend ausgeschlagenen Etuis, Kästchen, Schachteln und Schatullen, die ganz im Dienste der Fetischisierung der Waren standen. Die Etui-Kultur des ausgehenden bürgerlichen Jahrhunderts muss als Versuch verstanden werden, suggestiv dem durch die Massenproduktion drohenden Verlust der Aura der Gegenstände vorzubeugen. Standen in ihrer dunklen Sensualität die kostbaren Etuis und Schatullen allegorisch für den zeittypischen bürgerlichen Rückzug in die Innerlichkeit, so scheint Aokis Architektur dagegen – mit ihrer seltsamen räumlichen Inversion – repräsentativ zu sein für das postindustrielle Zeitalter und seine aufzehrende Verausgabung in den Oberflächenerscheinungen der digitalen Bilder.

Benjamins Analyse des fin de siècle bietet in Bezug auf Aokis Pavillon jedoch den Hintergrund für eine weitere Einsicht. Gerade in Bezug auf die Ephemerität der materiellen Erscheinung von Aokis Pavillon in Nagoya betrifft dies die Aura der Dinge. Benjamins Aura-Begriff macht ja eines aus: die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit des Erlebten, die nach Benjamin einer Wirklichkeitserfahrung entspricht, die nur an diesem Ort, zu dieser Zeit erfahren werden kann. Benjamin nannte es das “Hier und Jetzt des Kunstwerks – sein einmaliges Dasein an dem Orte, an dem es sich befindet.”[25]Und: “An einem Sommernachmittag ruhend einem Gebirgszug am Horizont oder einem Zweig folgend, der seinen Schatten auf den Ruhenden wirft – das heißt die Aura dieser Berge, dieses Zweiges atmen.”[26] Damit ist aber die Aura nicht nur durch Ort und Zeit bestimmt, sondern sie bezeichnet die Art und Weise, wie der Betrachter räumlich wechselseitig bei den Dingen und gleichzeitig bei sich selbst ist. Es ist damit jener eigenwillige, nicht weiter definierbare Zwischenraum erfasst, ohne den es am Ende keine eigentliche Beziehung zu den Dingen gibt und ohne den der Bezug zur Welt nur unbeteiligte, distanzierte Erfahrung und bei Abzug des Körpers nur reine Information bliebe.

Aufgrund der Maschinenproduktion und des allgemein Gleichartigen in der Welt verschwinden nach Benjamin in der Moderne die letzten Reste der ursprünglichen künstlerischen Aura der Werke. Durch die Reproduktionstechniken ist die singuläre Stellung der Kunst betroffen. Und doch, wie ansatzweise am Beispiel von Aokis Gebäuden zu zeigen wäre, könnte die Aura heute im postindustriellen Zeitalter wieder zurückkehren. Denn mit der Ephemerität und Momentanität der Erscheinung von Aokis Architektur stellt sich die Frage, ob für die Architektur heute nicht wieder ein auratisches Moment[27] veranschlagt werden müsste, wo doch die singuläre und individuelle Erfahrung eines der entscheidenden Kriterien der Begegnung mit ihr ist. War unter den Bedingungen der modernistischen Reproduktionsformen die Aura, das Hier und Jetzt der Erfahrung, verloren gegangen, so scheint sie bei Aoki mit der Rekonzeptualisierung des durchaus dem Ephemeren verbundenen ma wieder in die Werke zurückzukehren, mit einer Änderung: sie erscheint nicht mehr als ein Natürliches und verbürgt so keineswegs mehr die Echtheit der Sache.
Aokis drittes Projekt für Louis Vuitton, das im Frühjahr 2004 in Tokios Roppongi-Distrikt fertig gestellt wurde, geht in Bezug auf die Rekonzeptualisierung des architektonischen Raumes noch einen Schritt weiter. Hier wird der Zwischenraum der Fassaden selbst zum eigentlichen aktiven Element für eine neue Wahrnehmungsweise. Die Fassade besteht aus mehreren tausenden, nebeneinander über die Fassadenfläche verteilten, transparenten Plexiglasröhren, die senkrecht zur Fassade angeordnet sind. Im günstigsten Falle, wenn man direkt davor steht, geben sie Einblick in den Innenraum, in der Regel lösen sie sich jedoch in den vielfältigsten Spiegelungen auf. Auf den konkaven und konvexen Flächen ihrer Innen- und Außenseite brechen sich die Lichtreflexe, werden verzerrt und überlagern sich in unterschiedlicher Intensität mit den Spiegelungen des Innen- und Außenraums. Die Röhren funktionieren quasi wie Lichtfallen, in denen die wiederholten Spiegelungen, je nach Blickwinkel, mit dem man auf die Fassade schaut, kaleidoskopartig sich verändern. Der Materialeffekt, der dabei entsteht, ist buchstäblich virtuell zu nennen. Er lässt sich mit nichts mehr vergleichen, im Gesamteindruck ist er vollkommen abstrakt und doch gleichzeitig in den kleinteiligen Reflexen auf den einzelnen Oberflächen bildhaft konkret. In der so entstehenden Pixelwand verflüssigen sich die Grenzen zwischen Objekt und Bild, beide gehen nahtlos ineinander über. Seine Steigerung findet dies, wo bei flachem Blickwinkel der Spiegeleffekt überhand nimmt, und das Gebäude nach und nach in der Entfernung in den Spiegelungen der Umgebung quasi ausgeblendet wird. Wo das Gebäude sich – nach einer alten Technik der japanischen Gartenbaukunst – in den Spiegelbildern im Sinne von geborgten Landschaften auflöst, sind die Grenzen zwischen Objekt und Bild endgültig aufgehoben.

Abschließend ist festzustellen, dass es in Aokis Ästhetik des Verschwindens keineswegs nur um die verklärte Erscheinung der neuesten digitalen Warenästhetik geht. Sie ist weit mehr als ein kurzlebiges, modisches Ereignis. Mit der Rekonzeptualisierung des traditionellen Zwischenraumes ma praktiziert Aoki eine neue, über die Ansätze der Moderne hinausgehende Form von kultureller Mimesis, mit der die Vermittlung und Aufnahme der neuesten universalen Technologien in den Gehalt der japanischen Kultur gelingt. Im Übergang von der virtuellen Realität zur virtuellen Materialität findet hier die Bestätigung der Architektur als zentrale symbolische Form im Zeitalter des digitalen Paradigmenwechsels statt.

Einen ähnlichen Effekt erzielt Aoki auch bei seinem Louis-Vuitton-Gebäude in Tokios Harajuku-Viertel, jedoch auf sehr viel abstraktere Art und Weise. Hier sind es verschiedene Metallgewebe, die, getrennt durch einen Zwischenraum, in der optischen Überlagerung einen kontinuierlich sich ändernden Stoffcharakter erzeugen, der manchmal satiniert und weich, andere Male wieder semitransparent und silbrig-metallisch wirkt. Von Bedeutung in unserem Kontext ist, dass Aoki auf die Applikation technischer Elemente verzichtet. Es gibt hier keine Plasmabildschirme oder computergesteuerte Programme, die die Fassade dynamisch, sei es durch künstliches Licht oder mechanisch, in Bewegung halten, noch kann man, selbst wo die Fassade sich permanent zu verändern scheint, von einer Interaktivität der Fassade sprechen. Tatsächlich bedient sich Aoki ausschließlich einfacher architektonischer Mittel. Einerseits ist dies die natürlicherweise dynamische Beziehung, die der Betrachter je nach Abstand zum Gebäude hat, während das zweite Mittel eine einfache architektonische Erfindung ist: die Ausbildung der Fassade als Volumen, als Zwischenraum. Die Erscheinung der Gebäude in ihrer jeweils spezifischen, im eigentlichen Sinne eben virtuellen Materialität, ist ein Effekt der Aktivierung des Fassadenzwischenraumes. Von ihm hängt der Moiré-Effekt ab und erst in zweiter Linie von der dynamischen Beziehung des Betrachters zum Gebäude.

Im Sinne der von Benjamin konstatierten Beobachtung, dass aus den jeweils neuen Technologien neue Wahrnehmungsweisen, mithin neue Formen kultureller Praxis resultieren, präsentiert sich Aokis Architektur als durchaus emanzipierte Reaktion auf die neue digitale Medienästhetik und ihre neue Sichtbarkeit. Mit der Flüchtigkeit der stofflichen Erscheinung und der Virtualität der Materialität reagiert Aoki auf die neue Sensibilität der Sinne, die neue Visualität und veränderte Wahrnehmungsweise, die sich im Video- und Computerzeitalter eingestellt haben. Das ist aber nur die eine, dem Zeitgeist und dem globalen technologischen Wandel zugewandte Seite, dessen dialektischer Gegenpart die optische Aktivierung des Fassadenzwischenraumes ist, mit der Aoki die Verbindung zur traditionellen japanischen Ästhetik herstellt. Es ist das Ma, jener mysteriöse Zwischenraum, der ein essentieller Bestandteil der japanischen Kultur ist, den Aoki im Zeitalter der neuen Medienästhetik neu interpretiert. Ma bezeichnet jenen nicht messbaren Raum, der falsch verstanden wäre, wenn man in ihm nur den mathematisch nicht weiter aufgehenden Rest komplexer räumlicher Figuren erkennen wollte. Ma steht zum Beispiel in den japanischen Tuschezeichnungen für jene räumlich undefinierbaren Flächen, die zwischen den zu perspektivischer Wirkung gestapelten Bildmotiven übrigbleiben, ma erscheint aber auch im Alltag als Form einer nicht näher definierbaren sozialen Distanz oder in den Techniken der Entmaterialisierung in den klassischen Handwerkstechniken, wie zum Beispiel den Lacktechniken; letztendlich muss man im Zwischenraum ma eine der Erscheinungsformen der zen-buddhistischen Ästhetik des Verschwindens erkennen.

Mit der Technik der Virtualisierung der Materialität, d. h. der Scheinhaftigkeit des Materials steht die Architektur Aokis jedoch auch im größeren kulturgeschichtlichen Kontext der Moderne. Interessanterweise knüpft Aokis Architektur in ihrer Dialektik zwischen weicher äußerer Erscheinungsform und den im Inneren vorherrschenden, scharfkantigen Formen direkt an die von Benjamin für das 19. Jahrhundert beschriebene Warenästhetik an, gleichsam in deren Umkehrung. Mit seinem Raumkonzept, das der Idee eines umgestülpten Handschuhs folgt, präsentiert sich der Pavillon in Nagoya gerade in Umkehrung zur Etui- und Futteralkultur, wie sie Benjamin in seinem Passagenwerk für das 19. Jahrhundert so eindrücklich beschrieben hatte. Charakteristisch für das fin de siècle waren für Benjamin die mit Seide und Samt überquellend ausgeschlagenen Etuis, Kästchen, Schachteln und Schatullen, die ganz im Dienste der Fetischisierung der Waren standen. Die Etui-Kultur des ausgehenden bürgerlichen Jahrhunderts muss als Versuch verstanden werden, suggestiv dem durch die Massenproduktion drohenden Verlust der Aura der Gegenstände vorzubeugen. Standen in ihrer dunklen Sensualität die kostbaren Etuis und Schatullen allegorisch für den zeittypischen bürgerlichen Rückzug in die Innerlichkeit, so scheint Aokis Architektur dagegen – mit ihrer seltsamen räumlichen Inversion – repräsentativ zu sein für das postindustrielle Zeitalter und seine aufzehrende Verausgabung in den Oberflächenerscheinungen der digitalen Bilder.

Benjamins Analyse des fin de siècle bietet in Bezug auf Aokis Pavillon jedoch den Hintergrund für eine weitere Einsicht. Gerade in Bezug auf die Ephemerität der materiellen Erscheinung von Aokis Pavillon in Nagoya betrifft dies die Aura der Dinge. Benjamins Aura-Begriff macht ja eines aus: die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit des Erlebten, die nach Benjamin einer Wirklichkeitserfahrung entspricht, die nur an diesem Ort, zu dieser Zeit erfahren werden kann. Benjamin nannte es das “Hier und Jetzt des Kunstwerks – sein einmaliges Dasein an dem Orte, an dem es sich befindet.”[25]Und: “An einem Sommernachmittag ruhend einem Gebirgszug am Horizont oder einem Zweig folgend, der seinen Schatten auf den Ruhenden wirft – das heißt die Aura dieser Berge, dieses Zweiges atmen.”[26] Damit ist aber die Aura nicht nur durch Ort und Zeit bestimmt, sondern sie bezeichnet die Art und Weise, wie der Betrachter räumlich wechselseitig bei den Dingen und gleichzeitig bei sich selbst ist. Es ist damit jener eigenwillige, nicht weiter definierbare Zwischenraum erfasst, ohne den es am Ende keine eigentliche Beziehung zu den Dingen gibt und ohne den der Bezug zur Welt nur unbeteiligte, distanzierte Erfahrung und bei Abzug des Körpers nur reine Information bliebe.

Aufgrund der Maschinenproduktion und des allgemein Gleichartigen in der Welt verschwinden nach Benjamin in der Moderne die letzten Reste der ursprünglichen künstlerischen Aura der Werke. Durch die Reproduktionstechniken ist die singuläre Stellung der Kunst betroffen. Und doch, wie ansatzweise am Beispiel von Aokis Gebäuden zu zeigen wäre, könnte die Aura heute im postindustriellen Zeitalter wieder zurückkehren. Denn mit der Ephemerität und Momentanität der Erscheinung von Aokis Architektur stellt sich die Frage, ob für die Architektur heute nicht wieder ein auratisches Moment[27] veranschlagt werden müsste, wo doch die singuläre und individuelle Erfahrung eines der entscheidenden Kriterien der Begegnung mit ihr ist. War unter den Bedingungen der modernistischen Reproduktionsformen die Aura, das Hier und Jetzt der Erfahrung, verloren gegangen, so scheint sie bei Aoki mit der Rekonzeptualisierung des durchaus dem Ephemeren verbundenen ma wieder in die Werke zurückzukehren, mit einer Änderung: sie erscheint nicht mehr als ein Natürliches und verbürgt so keineswegs mehr die Echtheit der Sache.
Aokis drittes Projekt für Louis Vuitton, das im Frühjahr 2004 in Tokios Roppongi-Distrikt fertig gestellt wurde, geht in Bezug auf die Rekonzeptualisierung des architektonischen Raumes noch einen Schritt weiter. Hier wird der Zwischenraum der Fassaden selbst zum eigentlichen aktiven Element für eine neue Wahrnehmungsweise. Die Fassade besteht aus mehreren tausenden, nebeneinander über die Fassadenfläche verteilten, transparenten Plexiglasröhren, die senkrecht zur Fassade angeordnet sind. Im günstigsten Falle, wenn man direkt davor steht, geben sie Einblick in den Innenraum, in der Regel lösen sie sich jedoch in den vielfältigsten Spiegelungen auf. Auf den konkaven und konvexen Flächen ihrer Innen- und Außenseite brechen sich die Lichtreflexe, werden verzerrt und überlagern sich in unterschiedlicher Intensität mit den Spiegelungen des Innen- und Außenraums. Die Röhren funktionieren quasi wie Lichtfallen, in denen die wiederholten Spiegelungen, je nach Blickwinkel, mit dem man auf die Fassade schaut, kaleidoskopartig sich verändern. Der Materialeffekt, der dabei entsteht, ist buchstäblich virtuell zu nennen. Er lässt sich mit nichts mehr vergleichen, im Gesamteindruck ist er vollkommen abstrakt und doch gleichzeitig in den kleinteiligen Reflexen auf den einzelnen Oberflächen bildhaft konkret. In der so entstehenden Pixelwand verflüssigen sich die Grenzen zwischen Objekt und Bild, beide gehen nahtlos ineinander über. Seine Steigerung findet dies, wo bei flachem Blickwinkel der Spiegeleffekt überhand nimmt, und das Gebäude nach und nach in der Entfernung in den Spiegelungen der Umgebung quasi ausgeblendet wird. Wo das Gebäude sich – nach einer alten Technik der japanischen Gartenbaukunst – in den Spiegelbildern im Sinne von geborgten Landschaften auflöst, sind die Grenzen zwischen Objekt und Bild endgültig aufgehoben.

Abschließend ist festzustellen, dass es in Aokis Ästhetik des Verschwindens keineswegs nur um die verklärte Erscheinung der neuesten digitalen Warenästhetik geht. Sie ist weit mehr als ein kurzlebiges, modisches Ereignis. Mit der Rekonzeptualisierung des traditionellen Zwischenraumes ma praktiziert Aoki eine neue, über die Ansätze der Moderne hinausgehende Form von kultureller Mimesis, mit der die Vermittlung und Aufnahme der neuesten universalen Technologien in den Gehalt der japanischen Kultur gelingt. Im Übergang von der virtuellen Realität zur virtuellen Materialität findet hier die Bestätigung der Architektur als zentrale symbolische Form im Zeitalter des digitalen Paradigmenwechsels statt.

 


Literaturverzeichnis:


– Adorno, Theodor W.: Ästhetische Theorie, Frankfurt/M. 1993.
– Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie, Frankfurt/M. 1977.
– Ders.: Das Passagen-Werk, hrsg. v. Rolf Tiedemann, Frankfurt/M. 1983.
– Ders.: Ursprung des deutschen Trauerspiels, in: ders., Gesammelte Werke, hrsg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann Schweppenhäuser, Bd. I.1, Frankfurt/M. 1997.
– Bourdieu, Pierre: Zur Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt/M. 1997.
– Bürger, Peter: Theorie der Avantgarde, Frankfurt/M. 1974.
– Cassirer, Ernst: Philosophie der symbolischen Formen, 3. Bd., Phänomenologie der Erkenntnis, in: ders., Gesammelte Werke. Hamburger Ausgabe, Bd. 13, hrsg. v. Birgit Recki, Darmstadt 2002.
– Frey, Dagobert: Kunstwissenschaftliche Grundfragen. Prolegomena zu einer Kunstphilosophie (1946), Darmstadt 1984.
– Gleiter, Jörg H.: Rückkehr des Verdrängten. Zur kritischen Theorie des Ornaments in der architektonischen Moderne, Weimar 2003.
– Ders.: Von der virtuellen Realität zur virtuellen Materialität. Zur ontologischen Zweideutigkeit der Architektur im Zeitalter ihrer Virtualisierung, in: Bild Klang Wort. Grundlagenwissen Gestaltung, Bd. 1, hrsg. v. Thomas Friedrich u. Ruth Dommaschk, Lit Verlag Münster 2004.
– Hansen, Miriam: Benjamin, Cinema and Experience: »The Blue Flower in the Land of Technology«, in: New German Critique, Jg. 40/1987.
– Klopfer, Paul: Das räumliche Sehen, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, Bd. XIII/1919.
– Liessmann, Konrad Paul: Von Toni nach Moor. Ästhetische Potenzen – Nach der Postmoderne, in: Die Zukunft der Moderne, Kursbuch 122, 12/1995.
– Mendelssohn, Moses: Ästhetische Schriften in Auswahl, hrsg. v. O. F. Best, Darmstadt 1974.
– Schmarsow, August: Der Werth der Dimension im menschlichen Raumgebilde, Leipzig 1896.
– Koselleck, Reinhard: Nachwort zu: Charlotte Beradt, Das Dritte Reich des Traums, Frankfurt/M. 1994.
– Schumacher, Fritz: Die künstlerische Bewältigung des Raumes, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstgeschichte 13/1919.
– Schweppenhäuser, Gerhard u. Mirko Wischke (Hrsg.): Impuls und Negativität. Ethik und Ästhetik bei Adorno, Hamburg u. Berlin 1995.
– Wölfflin, Heinrich: Prolegomena zu einer Psychologie der Architektur (1886), Berlin 1999.

Bildnachweis:

Abbildungen 1 - 2 (Louis Vuitton, Nagoya): Jun Aoki & Associates
Abbildungen 3 - 7 (Louis Vuitton, Harajuku und Roppongi): Jörg H. Gleiter

Anmerkungen:
[1] Das architektonische Bild dafür ist die Ruine. Nach Benjamin ist in der Ruine aller Zeitbezug, das heißt alles Ornamentale und Ephemere abgefallen, was Voraussetzung für die Umbildung der Sachgehalte in Wahrheitsgehalte, der künstlerischen Bilder in philosophische Begriffe ist. Nur als Ruine, so Benjamin, erhält die Architektur das Potenzial zum Ausgangspunkt einer “Neugeburt” zu werden, also zum Kristallisationspunkt einer in die Zukunft gerichteten Wiederaneignung des Vergangenen. Vgl. dazu Jörg H. Gleiter (2003), S. 238 ff.
[2] Reinhard Koselleck (1994), S. 117 ff.
[3] August Schmarsow (1896), S. 44.
[4] Paul Klopfer (1919), S. 135.
[5] Dagobert Frey (1984), S. 93 ff.
[6] Heinrich Wölfflin (1999).
[7] Fritz Schumacher (1919).
[8] Paul Klopfer (1919), S. 135.
[9] Pierre Bourdieu (1997), S. 102.
[10] Pierre Bourdieu (1997), S. 85.
[11] Pierre Bourdieu (1997), S. 115.
[12] Walter Benjamin (1983), S. 500.
[13] Walter Benjamin (1977), S. 39.
[14] Walter Benjamin (1977), S. 41.
[15] Vgl. Moses Mendelssohn (1974).
[16] Paul Klopfer (1919), S. 146.
[17] Theodor W. Adorno (1993), S. 39.
[18] Konrad Paul Liessmann (1995), S. 106.
[19] Peter Bürger (1974), S. 72.
[20] Theodor W. Adorno (1993), S. 39.
[21] Es ist aber nicht erst die Moderne, die durch die Maschinenproduktion, später den digitalen Paradigmenwechsel, ihre entscheidenden Impulse erfuhr. Zuvor schon sind es die Wehrtechnologie und die Entwicklung der Kriegskunst, auf die die Architektur und die Stadtbaukunst reagieren. Erst sind es die Befestigungsbauwerke und Verteidigungsringe – z. B. von Pietro Paolo Floriani, Sanmicheli, René de Montalembert oder Sébastien le Prestre de Vauban –, die die Stadtgestalt wesentlich bestimmten. Im 19. Jahrhundert ist es dann umgekehrt das Schleifen derselben Befestigungsanlagen, das der modernen Stadt ihre Gestalt gibt und nicht weniger in direkter Kausalität zur Entwicklungen der neuesten Wehrtechnologie, die diese Art der Verteidungssysteme überflüssig macht, interpretiert werden muss. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Ringstraße Wiens.
[22] Interessanterweise geht Cassirers Philosophie der symbolischen Formen Adornos Dialektik von Kunst und empirischer Realität zeitlich voraus. Adornos Ästhetische Theorie erschien erst posthum 1970, während Cassirer seine Philosophie der symbolischen Formen zwischen 1923 und 1929 publizierte. Vgl. Ernst Cassirer (2002).
[23] Für eine ausführlichere Darstellung vgl. Jörg H. Gleiter (2004).
[24] Konrad Paul Liessmann (1995), S. 29.
[25] Walter Benjamin (1977), S. 11.
[26] Walter Benjamin (1977), S. 15.
[27] Für eine weitergehende Diskussion der Wiederkehr des auratischen Moments in Kunst und Architektur sei auf Miriam Hansen (1987) verwiesen

 
Abbildung 1
Louis Vuitton, Nagoya
 
Abbildung 2
Louis Vuitton, Nagoya
 
Abbildung 3
Louis Vuitton, Harajuku
 
Abbildung 4
Louis Vuitton, Roppongi
 
Abbildung 5
Louis Vuitton, Roppongi
 
Abbildung 6
Louis Vuitton, Roppongi
 
Abbildung 7
Louis Vuitton, Roppongi
 
 
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